Gerade bei der Einwilligung wird das Prinzip des überwiegenden Interesses dagegen oft nicht als das der Rechtfertigung zugrundeliegende Prinzip erkannt. Vielmehr ist davon die Rede, rechtfertigend wirke hier allein oder vor allem die Interessenpreisgabe durch den zur Verfügung über das Rechtsgut Befugten. So sieht es anscheinend auch das KG Berlin.
Die Interessenpreisgabe allein genügt aber nicht, um die Reichweite der Rechtfertigung durch die Einwilligung zu bestimmen. Dazu folgendes Beispiel: A schickt B einen Brief. Als B diesen aufmacht und liest, stellt er fest, dass A ihm am Ende des Briefes die Anweisung gibt, den Brief nach dem Lesen zu verbrennen und mit niemandem über dessen Inhalt zu sprechen. B hält sich nicht an diese Anweisung, behält den Brief und gibt ihn seiner Frau zu lesen. Käme es für die Rechtfertigung allein auf die an Bedingungen geknüpfte Interessenpreisgabe durch A an, dürfte B den Brief weder behalten noch ihn seiner Frau zu lesen geben. A könnte wegen Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts ggf. sogar auf Unterlassen klagen. Das wäre aber nicht interessengerecht, weil A dann einseitig bestimmen dürfte, wie B mit seiner Post umzugehen hat, und B vor dem Öffnen und Lesen des Briefs auch nicht vorgewarnt hatte. Nur wenn B sich bspw. gegenüber A vertraglich zur gewünschten Geheimhaltung verpflichtet hätte, käme man zu einem anderen Abwägungsergebnis.
Im Strafrecht ist man sich deshalb auch einig, dass die Verfügungsbefugnis über einen Brief mit dem Zugang von dem Absender auf den Empfänger übergeht. Der Empfänger kann mit Eingang des Briefes in seinen Gewahrsamsbereich in der Regel frei darüber verfügen, wer den Brief öffnet, z. B. seine Sekretärin. Bei Unternehmen und Behörden sollen sogar die internen Organisationsregeln darüber entscheiden, wer den Brief öffnen darf, und nicht der Absender, selbst dann, wenn der Absender eine Vorausbestimmung getroffen hat. Erklären lässt sich das nur dadurch, dass für die Bestimmung der Reichweite der Einwilligung auch auf die Interessen des Empfängers abzustellen ist.
Ähnliche Überlegungen finden sich auch in anderen Bereichen. So hat etwa der BGH in seinem bereits oben zitierten Urteil für den Fall des nachträglichen Widerrufs einer Einwilligung – konkret ging es um während einer außerehelichen Beziehung angefertigte Fotos mit zum Teil höchst intimen Aufnahmen – genau eine solche Abwägung der widerstreitenden Interessen vorgenommen, um den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu bestimmen und die erteilte Einwilligung in die Anfertigung der Aufnahmen auszulegen. Mit den Vorinstanzen kam der BGH zu dem Ergebnis, dass die intimen Fotos trotz der Einwilligung zu löschen sind. Die Interessen der fotografierten Person überwiegen in diesem Fall, aber auch nur deshalb, weil der Kernbereich der privaten Lebensführung betroffen ist. Insoweit ist die Einwilligung als auf die Dauer der Beziehung begrenzt auszulegen. Wenn aber nicht der Kernbereich der privaten Lebensführung betroffen ist, kann ohne entsprechende Anhaltspunkte grundsätzlich nicht von einer Befristung der Einwilligung ausgegangen werden.
Auch dem Widerruf der Erteilung eines Nutzungsrechts als einer speziellen Form der Einwilligung durch den Urheber nach § 42 UrhG ("Rückrufsrecht wegen gewandelter Überzeugung") liegt eine Interessenabwägung zugrunde. § 42 Abs. 1 UrhG lautet: "Der Urheber kann ein Nutzungsrecht gegenüber dem Inhaber zurückrufen, wenn das Werk seiner Überzeugung nicht mehr entspricht und ihm deshalb die Verwertung des Werkes nicht mehr zugemutet werden kann." Der Überzeugungswandel des Urhebers genügt also nicht. Vielmehr muss ihm die Verwertung durch den Inhaber des Nutzungsrechts geradezu unzumutbar sein. Seine Interessen müssen also das Interesse des Inhabers des Nutzungsrechts deutlich überwiegen. Auch das ist nichts anderes als eine Abwägung der widerstreitenden Interessen. Selbst wenn man im Rahmen der Interessenabwägung feststellt, dass die Interessen des Urhebers diejenigen des Inhabers des Nutzungsrechts überwiegen, erhält dieser zum Ausgleich seiner Interessen einen Anspruch auf Nutzungsentschädigung (vgl. § 42 Abs. 3 UrhG).