I.
Der ledige und kinderlose Erblasser ist am 22.6.2017 in D. verstorben.
Er errichtete am 8.7.2011 zwei im Wesentlichen gleichlautende Testamente. Ein Exemplar verblieb beim Erblasser, ein Exemplar gab er der Beteiligten zu1, seiner Cousine.
Die Verfügungen haben folgenden Wortlaut:
"Testament" |
1.) Im Falle meines Ablebens setze ich meine Cousine … ..str., zu meiner Alleinerbin ein. |
2.) Als Vermächtnis erhalten: |
… , … in … 10.000,- Euro |
3.) Ersatzerben: … … , Pfarrer in … |
… den 8.7.2011 |
(Unterschrift des Erblassers)“ |
Die beiden Exemplare unterscheiden sich lediglich insoweit, als ein Exemplar, nämlich das, was beim Erblasser verblieben war, die Wörter "meine Cousine" als Einfügung oberhalb der ersten Zeile enthält und die Gliederungsziffern (1, 2, 3) nicht enthält.
Die beim Erblasser verbliebene Verfügung wurde nach dem Vortrag der Beteiligten im Verfahren vor dem Nachlassgericht im Jahre 2017 vom Betreuer des Erblassers zerrissen. Das bei der Beteiligten zu 1 verbliebene Exemplar habe der Betreuer von dieser herausverlangt, jedoch verweigerte die Beteiligte zu 1 nach Angaben des Betreuers die Herausgabe.
Die Beteiligte zu 1 hat, gestützt auf die Verfügung, die bei ihr verblieben war, einen Erbschein beantragt, dessen Erteilung das Nachlassgericht angekündigt hat.
Die Beschwerdeführer, die zu den gesetzlichen Erben gehören, sind der Ansicht, das Testament sei wirksam widerrufen und gesetzliche Erbfolge eingetreten.
II.
Die zulässigen Beschwerden bleiben im Ergebnis ohne Erfolg.
Zutreffend ist das Nachlassgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass sich die Erbrechtslage nach dem Testament richtet, das der Erblasser am 8.7.2011 errichtet und der Beteiligten zu 1 ausgehändigt hat.
1. Bei dem Testament vom 8.7.2011, das an die Beteiligte zu 1 ausgehändigt wurde, handelt es sich um ein formwirksames, mit Testierwillen errichtetes Testament.
Ein handschriftliches Testament ist formwirksam errichtet, wenn es vom Erblasser eigenhändig ge- und unterschrieben ist, § 2247 Abs. 1 BGB.
Eine Verfügung von Todes wegen ist mit Testierwillen errichtet, wenn der Erblasser den ernstlich erklärten Willen hatte, ein rechtsverbindliches Testament zu errichten. Dieser Wille folgt bei privatschriftlichen Testamenten nicht in jedem Fall aus der Erfüllung aller Formerfordernisse nach § 2247 (BayObLG FGPrax 2004, 243). Die Feststellung des Testierwillens erfordert eine Prüfung des Gesamtverhaltens des Erklärenden einschließlich aller Nebenumstände (§ 133); dabei können auch Umstände außerhalb der Urkunde sowie die allgemeine Lebenserfahrung von Bedeutung sein. Insbesondere muss sich der Erblasser darüber bewusst sein, dass er eine rechtsverbindliche Erklärung abgibt (BayObLG FamRZ 2000, 944/945). Wenn eine Urkunde mit "letztwillige Verfügung" überschrieben und unterzeichnet ist, besteht aber mangels anderer Anhaltspunkte kein Grund zur Prüfung, ob nur ein Entwurf vorliegt (MüKoBGB/Sticherling, 8. Auflage <2020>, § 2247 Rn 6).
2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der Senat der Ansicht, dass es sich bei dem Testament vom 8.7.2011 in jeder Hinsicht eine wirksame Verfügung von Todes handelt.
a) Das Testament ist formwirksam errichtet, § 2247 Abs. 1 BGB. Der Erblasser hat die Verfügung handschriftlich errichtet und eigenhändig unterschrieben. Dies war auch unter den Beteiligten zu keinem Zeitpunkt streitig.
b) Er handelte dabei auch mit Testierwillen, d.h. dem Willen, seine Nachfolge von Todes wegen verbindlich zu regeln. Insbesondere wollte der Erblasser durch das Abfassen zweier Exemplare der inhaltlich selben Verfügung nicht ein Original und eine Abschrift/Kopie fertigen.
aa) Nachdem der Erblasser am gleichen Tag zwei im Wesentlichen gleichlautende, inhaltlich identische Verfügungen niedergeschrieben hat, war zu klären, ob der Erblasser eine Urschrift und eine Abschrift/Kopie, aus der heraus selbst keine Rechte hergeleitet werden könnten, errichten wollte. Hätte in einem solchen Fall der Erblasser lediglich die Abschrift an die Beteiligte zu 1 ausgehändigt, würde die Vernichtung des Originals die Unwirksamkeit der Verfügung zur Folge haben können (§ 2256 Abs. 1 BGB), die Abschrift müsste und könnte schon nicht widerrufen werden, da sie bereits keine wirksame Verfügung von Todes wegen enthielte.
bb) Allerdings ist der Senat überzeugt, dass es sich bei der Urkunde, die der Erblasser der Beteiligten zu 1 ausgehändigt hat, um ein (gegebenenfalls weiteres) Original, jedenfalls nicht um eine bloße Abschrift handelte.
(1) Für das Vorliegen eines Originals spricht bereits der Umstand, dass die äußeren Merkmale der aus den Händen gegebenen Urkunde eher dem entsprechen, was man als "Schönschrift" bezeichnen würde: Die einzelnen Absätze weisen Gliederungsnummern auf, die beim Erblasser verbliebene Urkunde weist einen oberhalb der Zeile befindlichen Einschub auf. Ein Erblasser, der von der Originalverfügung noch eine handschriftliche Abschrift/Kopie erstellt, behielte nach der allgemeinen Lebenserfahrung aber die Reinschrift (Schönschrift) bei sich und würd...