Kann das Argument der Rechtssicherheit die Ungültigkeit von Vorsorgevollmachten für Organbefugnisse rechtfertigen?
Im Ausgangspunkt ist dem BGH zuzustimmen: Die Rechtslage in puncto Rechtssicherheit unterscheidet sich zwischen rechtsgeschäftlicher Vertretung und gesetzlicher Betreuung, für welche die Zustimmung der Gesellschafter gerade nicht erforderlich ist. Damit wären die vom BGH aus einer gesellschaftsinternen Zustimmungspflicht resultierenden Risiken bei einer Betreuung ausgeräumt, wohingegen diese bei einer Vollmachtslösung fortbestehen könnten.
Dies würde aber voraussetzen, dass – wovon der 3. Zivilsenat des BGH in seiner Entscheidung ausgeht – die fehlende Zustimmung der Mitgesellschafter im Innenverhältnis auf die Wirksamkeit der erteilten Vollmacht im Außenverhältnis durchschlägt. Hiergegen sprechen bereits im GmbH-Recht verschiedene Argumente: Im Interesse des Verkehrsschutzes ist die organschaftliche Vertretungsbefugnis nur in wenigen gesetzlichen Ausnahmefällen – z.B. bei Umwandlungsvorgängen und Unternehmensverträgen – im Außenverhältnis von der Zustimmung der Gesellschafter abhängig. Zu Recht weist Schippers darauf hin, dass eine Durchbrechung dieses Systems der strikten Trennung zwischen Innen- und Außenverhältnis im Falle einer Generalvollmacht nicht zu rechtfertigen ist. Als Ungültigkeitsgrund eignen sich Rechtssicherheit und Verkehrsschutz mithin nicht. Schippers weist für die GmbH zudem darauf hin, dass eine Beschränkung der Wirksamkeit der Erteilung von Generalvollmachten im Außenverhältnis mit der unbeschränkten (§ 35 Abs. 1 GmbHG) und unbeschränkbaren (§ 37 Abs. 2 S. 1 GmbHG) Vertretungsbefugnis in Widerspruch steht, welche ja gerade dem Schutz des Rechtsverkehrs zugute kommen soll. Hierzu findet sich im Übrigen eine zur Prokuraerteilung ergangene ältere Entscheidung des 2. Zivilsenates des BGH in welcher dieser genau hierauf hinwies und ausführte (Hervorhebung durch den Autor):
Zitat
"Nach § 35 Abs. 1 GmbHG wird die GmbH bei allen Rechtsgeschäften gegenüber Dritten – wozu auch die Erteilung der Prokura und der Handlungsvollmacht gehört – ausschließlich von den Geschäftsführern vertreten." Diese Regelung, die im Interesse der Verkehrssicherheit notwendig ist – denn eine Prüfung, ob ein wirksamer Gesellschafterbeschluss vorliegt, wäre außenstehenden Dritten vielfach nicht ohne weiteres möglich –, gilt auch für Rechtsgeschäfte, die für die Gesellschaft besonders bedeutsam sind. Aus § 46 GmbHG, der für gewisse grundlegende Rechtshandlungen die Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung vorsieht, lässt sich insoweit nichts Gegenteiliges herleiten. Wie bereits in RGZ 75, 166 ausgeführt, betreffen die in § 46 genannten Fälle ausschließlich das interne Verhältnis zwischen den Gesellschaftern oder zwischen Gesellschaftern und Gesellschaftsorganen. Dass insb. § 46 Nr. 7 GmbHG lediglich für das Innenverhältnis von Bedeutung ist, ergibt sich überdies eindeutig aus den Gesetzesmotiven (vgl. Mot. S. 98) und entspricht der zum Teil ähnlichen Regelung bei der OHG; auch bei dieser gilt die für die Prokuraerteilung notwendige Zustimmung sämtlicher geschäftsführender Gesellschafter (§ 116 Abs. 3 HGB) nur für das Innenverhältnis (RGZ 134, 303, 305), während mit Wirkung nach außen die allgemeinen Vertretungsgrundsätze Anwendung finden (§ 126 HGB).“
Zuletzt weist Schippers zutreffend darauf hin, dass das Risiko des Organhandelns innerhalb des rechtlichen Könnens unter Überschreitung des rechtlichen Dürfens auch in anderen Fällen die Gesellschafter zu tragen haben, was als Folge des selbst investierten Vertrauens in die Person des Geschäftsführers auch berechtigt sei. Vor diesem Hintergrund sprechen bereits im GmbH-Recht gute Argumente dafür, dass eine fehlende Zustimmung im Innenverhältnis nicht auf das Außenverhältnis durchschlägt und ein besonderer Schutz des Rechtsverkehrs durch Annahme der Ungültigkeit von Generalvollmachten überhaupt nicht erforderlich ist.
Dabei hat es jedoch nicht sein Bewenden: Selbst, wenn man den überzeugenden Argumenten von Schippers nicht folgen wollte und das Argument von der Erforderlichkeit des Schutzes des Rechtsverkehrs für GmbH-Sachverhalte anerkennt, kann es nicht pauschal auf das Personengesellschaftsrecht übertragen werden. Der 3. Zivilsenat verkennt in seinem Urt. v. 18.7.2002, dass der Schutz des Rechtsverkehrs – in dem von ihm entschiedenen GbR-Vertretungsfall – bereits durch die im GbR-Recht geltende Rechtslage völlig anders zu beurteilen ist als im GmbH-Recht:
Hierzu muss man sich nochmals vergegenwärtigen, dass im GmbH-Recht eine Beschränkung der Vertretungsbefugnis im Außenverhältnis über § 37 Abs. 2 S. 1 GmbHG ausgeschlossen ist. Im Personengesellschaftsrecht sieht die Rechtslage für die GbR gänzlich anders aus: Eine Beschränkung der Vertretungsbefugnis im Außenverhältnis ist zulässig. Inhalt und Umfang der organschaftlichen Vertretungsmacht können beliebig im Gesellschaftsvertrag mit Außenwirkung ausgestaltet werden. Und welche Rechtssic...