Leitsatz
Ist es dem Antragsteller mit der Nutzung der zumutbaren Mittel nicht möglich, das Vorhandensein von Erben dritter Ordnung abschließend aufzuklären, darf die Durchführung des Aufgebots gem. § 2358 Abs. 2 BGB nicht unter Verweis auf die Möglichkeit der Einschaltung eines Erbenermittlers abgelehnt werden.
OLG Hamm, Beschluss vom 13. Februar 2015 – 15 W 313/14
Sachverhalt
Die Beteiligte beantragt die Erteilung eines Erbscheins, wonach sie Alleinerbin der Erblasserin geworden ist. Sie beruft sich auf gesetzliche Erbfolge, da kein Testament vorhanden ist. Die Erblasserin hatte mit ihrem zweiten Ehemann ein gemeinschaftliches Ehegattentestament errichtet, das jedoch keine Schlusserbeneinsetzung enthält (Blatt 6 der beigezogenen Akte AG Dortmund 10 IV 590/81). Die Erblasserin war in zweiter Ehe nach dem Tod des Ehemannes am 5.8.1981 verwitwet; die erste, Jahrzehnte zurückliegende Ehe, war geschieden. Die Erblasserin hatte keine Kinder und war das einzige Kind ihrer vorverstorbenen Eltern.
Die Beteiligte ist die Cousine der Erblasserin väterlicherseits; ihre am 13.4.1979 vorverstorbene Mutter war die einzige Schwester des Vaters der Erblasserin. Die Großeltern väterlicherseits der Erblasserin, die außer dem Vater der Erblasserin und der Mutter der Beteiligten keine weiteren Kinder hatten, sind 1918 und 1962 vorverstorben. Die Beteiligte ist auf der väterlichen Seite der Erblasserin die einzige vorhandene Erbin dritter Ordnung.
Als Eltern der am 19. März 1903 geborenen Mutter der Erblasserin sind in der Geburtsurkunde der Mutter der Erblasserin aufgeführt I und J. Betreffend diese Großeltern mütterlicherseits der Erblasserin liegen weitere urkundliche Nachweise nicht vor. Die Beteiligte hat sich ergebnislos um das Auffinden einer Heiratsurkunde der Großeltern mütterlicherseits der Erblasserin bemüht. Sie hat sodann die öffentliche Aufforderung nach der Mutter der Erblasserin beantragt. Das Amtsgericht hat die öffentliche Aufforderung abgelehnt, weil etwaige Erben der mütterlichen Linie "hier zunächst unbekannt" seien.
Es hat darauf hingewiesen, dass sich aus der Heiratsurkunde der Eltern der Erblasserin möglicherweise das Vorhandenseins eines Bruders der Mutter der Erblasserin ergeben könnte und angeregt, dass die Antragstellerin nur einen Mindestteilerbschein beantrage und die Einrichtung einer Nachlasspflegschaft mit dann durchzuführenden Erbenermittlungen anrege. Die Antragstellerin, die an dem gestellten Erbscheinsantrag ausdrücklich festgehalten hat, hat im August 2013 eine Anzeige in den Ruhrnachrichten geschaltet, auf die keine Reaktion erfolgt ist.
Mit am 25.10.2013 erlassenem Beschluss hat das Amtsgericht den Antrag auf Erteilung eines Alleinerbscheins zurückgewiesen, weil die Alleinerbenstellung der Beteiligten nicht ausreichend nachgewiesen sei. Mit ihrer Beschwerde hat die Beteiligte unter anderem vorgetragen, dass die Erblasserin wiederholt angegeben habe, außer ihr – der Antragstellerin – keine weiteren Verwandten zu haben, und hat dies an Eides statt versichert. Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Auf Anregung des Senats hat die Beteiligte beantragt, das Verfahren zur Erteilung des Erbscheins unter Aufhebung des amtsgerichtlichen Beschlusses an das Amtsgericht zurückzuverweisen; hierbei hat sie ausdrücklich ihren Antrag auf öffentliche Aufforderung wiederholt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf den Akteninhalt verwiesen.
Aus den Gründen
Die gemäß § 58 FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht gemäß den §§ 63, 64 FamFG eingelegte, Beschwerde der Beteiligten hat den zumindest vorläufigen Erfolg einer Aufhebung des angegriffenen Beschlusses und der Zurückweisung des Erbscheinsverfahrens an das Amtsgericht – Nachlassgericht, § 69 Abs. 1 Satz 3 FamFG.
Das amtsgerichtliche Verfahren leidet an einem wesentlichen Mangel, vor der Entscheidung wäre eine umfangreiche Beweiserhebung erforderlich und die Beteiligte hat die Zurückverweisung beantragt.
Die vom Amtsgericht – Rechtspfleger – abgelehnte Durchführung eines Aufgebotsverfahrens nach § 2358 Abs. 2 BGB zum Ausschluss etwaiger gleichrangig gemäß § 1926 BGB neben der Beteiligten erbberechtigter Verwandter der Erblasserin mütterlicherseits ist nicht mehr durch das insoweit bestehende pflichtgemäße Ermessen, ob und welche Ermittlungsmaßnahmen das Nachlassgericht zu ergreifen hat, gedeckt. Die Ablehnung der Durchführung des Aufgebotsverfahrens stellt angesichts der Gegebenheiten des vorliegenden Falls einen wesentlichen Verfahrensmangel dar.
Der Senat kann nicht dem Standpunkt des Amtsgerichts folgen, die Beteiligte sei gehalten, ihrerseits selbst weitere Ermittlungen zur Frage des Vorhandenseins von Verwandten der vorverstorbenen Mutter der Erblasserin vorzunehmen, obwohl die Beteiligte den Anforderungen der §§ 2354, 2356 BGB nachgekommen war und durch die Vornahme weiterer Nachforschungen während des erstinstanzlichen Verfahrens in besonderer Weise ihrer allgemeinen Mitwirkungspflicht nach § 27 FamFG genügt hatte. Die Beteiligt...