Neben der Reformierung des Erbenhaftungsrechts[23] ist daher die Einführung einer neuen Art Erbenlegitimation zu erwägen, die lediglich zur Beschaffung von Informationen über den Nachlass, nicht jedoch zu Rechtsgeschäften damit ermächtigen würde. Der Vorteil eines solchen Vorbehaltserbscheines wäre, da er nicht zu Geschäften mit Nachlassgegenständen berechtigen und ihm daher auch keine Gutglaubenswirkung wie nach §§ 2365 f. BGB zukommen würde, dass er nach nur summarischer Prüfung ausgestellt werden könnte und daher sehr viel schneller als ein "echter" Erbschein i.S.d. §§ 2359 ff. BGB zu’erhalten wäre. Mangels Gutglaubenswirkung brächte dieser’dementsprechend auch keine Nachteile für andere Erbschaftsprätendenten mit sich. Mit einem solchen Vorbehaltserbschein könnte der vorläufige Erbe innerhalb von – analog zur Ausschlagungsfrist – sechs Wochen[24] ab Erteilung ausreichend Informationen beschaffen, um eine solide informationelle Grundlage für die Ausschlagungsentscheidung zu schaffen.[25] Gleichzeitig wäre durch die hier vorgeschlagene Ausgestaltung des Vorbehaltserbscheines keine Gefahr für die Nachlassgläubiger oder andere Erbschaftsprätendenten begründet, dass der so legitimierte Vorbehaltserbe diesen zur Verdunkelung des Nachlasses oder sonstigen unbefugten Geschäften benutzte. Wirksam verfügen könnte er damit gerade nicht. Dem Sinn des Vorbehaltserbscheines entsprechend würde der vorläufige Erbe mit dem Antrag die Erbschaft nicht konkludent annehmen, sondern zum Ausdruck bringen, dass er sich die Ausschlagung weiterhin vorbehält. Selbstverständlich könnte der Erbe auch nach Erteilung des Vorbehaltserbscheines explizit oder konkludent annehmen.

Bei entsprechenden Anforderungen für die Ausstellung eines Vorbehaltserbscheines wäre auch die Gefahr, dass unbefugte Dritte an Informationen bzgl. des Nachlasses gelangen (und damit eine Verletzung des Datenschutzrechtes), weitestgehend gebannt. Gleichzeitig dürften diese aber nicht all zu hoch sein, denn sonst wäre eine schnelle Ausfertigung nicht mehr möglich. Im Wesentlichen wäre eine Glaubhaftmachung i.S.d. § 294 ZPO der Erbenstellung zu fordern, die mittels Nachweises einer gesetzlichen Erbenstellung durch Vorlage von Sterbe- und Geburtsurkunden oder eines eröffneten Testaments erfolgen und eventuell durch eidesstattliche Versicherung bekräftigt werden könnte. Zusätzlich wäre ein solcher Schein in seiner Gültigkeit auf die Ausschlagungsfrist von sechs Wochen zu begrenzen.[26] Hier könnte an die Anforderungen des § 12 GBO angeknüpft werden.[27] Um aber die Ausschlagungsfrist aus § 1944 BGB tatsächlich nicht zu verkürzen, wäre deren Ablauf für den Zeitraum von Antrag bis Erteilung des Erbscheins zu hemmen, etwa wie in Fällen der familien- oder betreuungsgerichtlicher Genehmigungsbedürftigkeit der Ausschlagung.[28]

Zuletzt wäre noch die Frage der Zuständigkeit zu erörtern. Gestaltete man das Verfahren analog zu dem des herkömmlichen Erbscheines, so läge es nahe, auch die Zuständigkeit für den Vorbehaltserbschein beim Nachlassgericht zu verorten. Hiergegen spräche aber u.U. die bereits jetzt schon starke Belastung der Nachlassgerichte, eine schnelle Erteilung von Vorbehaltserbscheinen scheint insofern unrealistisch. Daher könnte angesichts der beschränkten Tragweite eines Vorbehaltserbscheines auch die Zuständigkeit von Notaren begründet werden. Dies wäre angesichts der Tatsache, dass gewöhnliche Erbscheine z.B. in Baden-Württemberg bis vor kurzem von Notaren ausgestellt wurden (Art. 147 EGBGB i.V.m. §§ 1 Abs. 1 und 2, 38 LFGG BW a.F.) und dies auch in Frankreich generell auf Erblegitimationen zutrifft, eine naheliegende Lösung.[29]

Eine Vereinfachung und Beschleunigung der Erbenlegitimation sowie der Nachlasssichtung des vorübergehenden Erben ist im Interesse aller Beteiligten. Die derzeit unbefriedigende Gesetzeslage wird den Anforderungen der Praxis nicht gerecht und trägt durch den Anreiz zur Ausschlagung ebenso wie die’Haftungsregelungen zur mangelnden Praxistauglichkeit des Erbenhaftungsrechts bei. Die Einführung eines Vorbehaltserbscheines könnte in dieser Hinsicht zu einer erheblichen Verbesserung führen.

[23] Eingehend dazu Osthold, Erben und Haftung, 155 ff.
[24] Denkbar ist auch eine Verlängerung der Frist zur Nachlasssichtung, vgl. Osthold, Erben und Haftung, 185 ff.
[25] In diesen Fällen wären dann Streitigkeiten über die die Ausschlagungsfrist in Gang setzende Kenntnis von den die Erbenstellung begründenden Tatsachen obsolet, vgl. Staudinger/Otte (2017), § 1944 BGB Rn 30.
[26] Eine ähnliche Regelung gilt auch für das Europäische Nachlasszeugnis, welches ab Ausstellung nur sechs Monate Gültigkeit besitzt (Art. 70 Abs. 3 ErbVO Nr. 650/2012). Vgl. dazu Dorsel, ZErb 2014, S. 212, 223.
[28] Vgl. BeckOGK/Heinemann, 1.7.2019, BGB § 1944 Rn. 84 ff.
[29] Schroer, Europäischer Erbschein (2010), S. 56 ff.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge