Der Richter darf sich bei der Auslegung des Testaments grundsätzlich nicht auf eine Analyse des Wortlauts beschränken, sondern hat alle ihm zugänglichen Umstände außerhalb der Testamentsurkunde zu berücksichtigen und auszuwerten, die zur Ermittlung des Erblasserwillens dienlich sein können.
Liegen mehrere Testamente vor, so muss bei der Auslegung die Gesamtheit der Testamente berücksichtigt werden. Lässt das Testament mehrere Deutungen zu, muss auf Umstände außerhalb der Urkunde zurückgegriffen werden, um den gewollten Sinn festzustellen. Auch die allgemeine Lebenserfahrung muss berücksichtigt werden. Außer Betracht bleiben allein Umstände, die nach der Testamentserrichtung liegen und auch keinen Rückschluss auf den Erblasserwillen zur Zeit der Errichtung haben können. Im Zivilprozess hat sich das Gericht aller ihm aus dem Inbegriff der mündlichen Verhandlung außerhalb der Testamentsurkunde zur Verfügung stehender Umstände zur Ermittlung des Erblasserwillens zu bedienen. Wertvolle Hinweise für die Auslegung können die bei der Testamentserrichtung beteiligten Personen, insbesondere der beurkundende Notar, geben.
Ferner können bei der Ermittlung Äußerungen des Erblassers nach der Testamentserrichtung über den Inhalt seines Testaments Berücksichtigung finden, wenn sie Anzeichen für den Willen im Zeitpunkt der Testamentserrichtung enthalten. Beim gemeinschaftlichen Testament sind dies insbesondere Äußerungen des überlebenden Ehegatten über das von beiden Ehegatten Gewollte nach dem Tod des Erstversterbenden, insbesondere gegenüber dem Nachlassgericht. Zulässig und im Rahmen der Auslegung nach §§ 133, 2084 BGB ist auch die ergänzende Heranziehung früherer Testamente geboten, auch wenn diese vom Erblasser widerrufen oder aus der amtlichen Verwahrung genommen wurden. Herangezogen werden kann ferner der Inhalt eines Abschiedsbriefs des Erblassers oder die Verteilung des Erlöses aus dem Verkauf eines Grundstücks durch den Erblasser noch zu Lebzeiten.
Neben eigenen Äußerungen des Erblassers kann auch sein persönlicher Lebenszuschnitt, insbesondere sein Stand, seine Geschäftsgewandtheit und seine Bildung, für die Auslegung maßgeblich sein. Ferner werden bei der Auslegung die Beziehungen des Erblassers zu den im Testament genannten Personen eine Rolle spielen können, insbesondere ob es sich um familiäre, enge persönliche oder berufliche Beziehungen handelt. Die Vermögensverhältnisse des Erblassers können ebenfalls für die Auslegung von Bedeutung sein, etwa wenn es um die Frage geht, ob Testamentsvollstreckung angeordnet ist, obwohl nur sehr geringes Vermögen vorhanden ist.