Gegenstand der Auslegung ist die Erklärung, die von Anfang an mehrdeutig ist oder – trotz eindeutigen Wortlauts – später mehrdeutig wird. Ist der Text des Testamentes eindeutig und haben die Beteiligten keinen Zweifel über den dahinter stehenden Willen des Erblassers, so wird in aller Regel auch eine Auslegung des Testaments unterbleiben können. Es fehlt dann schon an einer Auslegungsbedürftigkeit. Im Übrigen ist nach allgemeiner Meinung auch der scheinbar eindeutige Wortlaut einer Auslegung zugänglich. Gerade weil es um die Erforschung des wirklichen Willens des Erblassers geht und weil dieser den Vorrang vor dem Wortlaut hat, kann der Auslegung auch in den Fällen des klaren und eindeutigen Wortlauts keine Grenze gesetzt sein. Der Richter ist auch in den Fällen einer scheinbar eindeutigen Willenserklärung an den Wortlaut der Verfügung nicht gebunden, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass der Erblasser mit seinen Worten einen anderen Sinn verbunden hat, als es dem allgemeinen Sprachgebrauch entspricht. Hierunter fallen insbesondere die Fälle der sog. falsa demonstratio, die auch bei Eindeutigkeit des Wortlauts korrigiert werden können. Ergibt die Auslegung, dass der Erblasser einen spezifischen Sprachgebrauch hatte, etwa seinen Weinkeller als Bibliothek bezeichnete, dann wendet er testamentarisch den Weinkeller zu, wenn er ihn auch in der letztwilligen Verfügung als "Bibliothek" bezeichnet. In diesen seltenen Fällen des persönlichen Sprachgebrauchs des Erblassers kann ausnahmsweise auch der geforderte Anhalt in der Urkunde selbst fehlen, weil der Erblasser generell das im Testament verwendete Wort in dem Sinn verstanden hat, den er auch beim Abfassen der letztwilligen Verfügung zugrunde gelegt hat, und es bei der Auslegung grundsätzlich nur auf das Verständnis des Erblassers ankommt.
Eine Auslegungsbedürftigkeit kann sich aber auch aus den vom Erblasser falsch oder anders verstandenen Wortbedeutungen ergeben. So kann der Erblasser mit dem Wort "vererben" die Zuwendung eines Vermächtnisses und umgekehrt mit "vermachen" eine Erbeinsetzung verbinden. Gerade Begriffe, die in der juristischen Fachsprache als eindeutig angesehen werden, können vom Erblasser als juristischen Laien eine völlig andere Bedeutung gehabt haben. Dies gilt insbesondere für Begriffe wie "Vor- und Nacherbschaft", "Alleinerbe" oder "leibliche Abkommen". Hat der Erblasser nur im konkreten Fall, nicht aber entsprechend seinem allgemeinen Sprachgebrauch, sei es bewusst oder unbewusst, eine völlig eindeutige, aber im Verhältnis zu seinem Willen falsche Bezeichnung gewählt, bleibt für eine Auslegung kein Raum. Hier kann nur eine Testamentsanfechtung nach § 2078 Abs. 1 BGB das dem Erblasserwillen widersprechende Testament vernichten.
Auch wenn der eindeutige und klare Wortlaut einer Verfügung einer Auslegung grundsätzlich nicht im Wege steht, so bleibt doch der Wortlaut des Testaments das wichtigste Indiz für den tatsächlich vorhandenen Erblasserwillen. Der eindeutige Wortlaut beinhaltet die allerdings widerlegbare Vermutung, dass der Erblasser den Wortlaut so verstanden hat, wie er objektiv zu verstehen ist. An eine Abweichung hiervon sind strenge Beweisanforderungen zu stellen. Insbesondere muss sich auch bei einer vom klaren und eindeutigen Wortlaut abweichenden Testamentsauslegung ein unvollkommener Ausdruck im Testament selbst finden.