1. Sachverhalt und Verfahrensgang
Die Alleinerbin beauftragte ein notarielles Nachlassverzeichnis. Der beauftragte Notar verweigerte dies nach über einem Jahr Ermittlungstätigkeit mit der Begründung, dass er die hohen Anforderungen der Rechtsprechung an ein solches Verzeichnis nicht erfüllen könne, da die Erbin die notwendigen Informationen über den Nachlass nicht mitteile, insb. weil die Erbin zu den erblasserischen Konten die Auszüge nicht besorgte, eine Vielzahl an Dokumentenordnern noch nicht gesichtet und den fiktiven Nachlass unzureichend mitgeteilt habe. Das LG Bad Kreuznach stimmte dem Notar im gegen ihn gerichteten Beschwerdeverfahren zu. Gegen diese Entscheidung richtete sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Erbin. Die Rechtsbeschwerde der Erbin war – zu Recht – erfolgreich. Der BGH hob den Beschluss des LG Bad Kreuznach auf und wies den Notar an, das Nachlassverzeichnis zu erstellen
2. Einleitende Anmerkung zum Sachverhalt
Zunächst verlangt diese Entscheidung eine Anmerkung zum Sachverhalt. Der Vortrag des Notars, weshalb er eine weitere Bearbeitung abgelehnt hat, zeigt ein wiederkehrendes Problem für mit der Erstellung eines Nachlassverzeichnisses beauftragte Notare auf: Der Auftraggeber (sowie i.d.R. dessen beauftragter Interessenvertreter) arbeitet nicht (hinreichend) bei der Nachlassermittlung und an der Erstellung des Nachlassverzeichnisses mit dem Notar zusammen. Sehr oft werden Informationen zum Nachlass vom Erben nicht beschafft und auf Nachfragen des Notars zu fehlenden Informationen werden ausweichende und nichtssagende Antworten geliefert, weshalb keine Informationen bereitgestellt werden.
Was in der BGH-Entscheidung bzgl. der offensichtlich mangelhaften Mitwirkung der Erbin nur wenige Zeilen einnimmt, wird in der Handakte des Notars sicherlich etliche Seiten mit Korrespondenz füllen. Die fehlende Bereitschaft des Auftraggebers zur vernünftigen Mitarbeit an der Erstellung des Nachlassverzeichnisses dürfte den Notar entsprechend mürbe und durchaus zu Recht verärgert haben.
So zeigt der BGH auch ausdrücklich auf, dass
Zitat
"[…] die Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall ihrer Mitwirkungspflicht bislang nicht in ausreichendem Umfang nachgekommen sein sollte, was ausweislich der Schreiben des Notars vom 13.6.2022 an die Beschwerdeführerin und vom 13.1.2023 an das Beschwerdegericht zumindest in objektiver Hinsicht nicht ausgeschlossen erscheint […]." (BGH BeckRS 2024, 15878, Rn 16)
Es wäre daher verfehlt, diese Entscheidung in der Anwaltschaft abermals zum ungerechtfertigten Anlass zu nehmen, Notare dergestalt zu schelten, dass sie ihren Pflichten bei der Ermittlung von Nachlässen und Erstellung von notariellen Nachlassverzeichnissen nicht nachkommen würden. Der Sachverhalt gibt hierzu keinen zwingenden Anlass.
Es ist davon auszugehen, dass der beauftragte Notar auch wusste, dass seine Argumente zur Amtsversagung beim BGH nicht ausreichen werden. Die Ausführungen des BGH, dass "der mit der Aufnahme des Nachlassverzeichnisses verbundene Zeitaufwand" kein ausreichender Grund i.S.d. § 15 Abs. 1 S. 1 BNotO ist (BGH BeckRS 2024, 15878, Rn 29), ist jedem Notar klar. Die vom BGH aufgezeigte Amtsbereitschaft (BGH BeckRS 2024, 15878, Rn 29) gehört zum Selbstverständnis eines jeden Notars. Eine Vertiefung dieser Selbstverständlichkeiten ist müßig und wenig zielführend. Darum geht es in der Entscheidung auch nur sekundär.
Vielmehr dürfte der Notar an der mit dieser Entscheidung erfolgten Rechtsfortbildung interessiert gewesen sein. Der BGH betreibt diese auch und rückt in auffällig klarer Sprache in seinen Entscheidungsgründen Lösungen für die im Sachverhalt aufblitzenden und in der Praxis typisierbar wiederkehrenden Konflikte zwischen Erbe und Notar in den Vordergrund. Notaren werden für die Praxis in bemerkenswerter Weise wertvolle Reaktions- und Handlungsmöglichkeiten für diese Konflikte aufgezeigt, die durch diese höchstrichterliche Entscheidung die für Notare dringend erforderliche Rechtssicherheit bei der Nachlassermittlung und Erstellung von Nachlassverzeichnissen schaffen.
3. Entscheidungsgründe des BGH
Der BGH zeigt mehrere bisher nicht abschließend höchstrichterlich geklärte Handlungsmöglichkeiten für wesentliche Punkte der Ermittlungstätigkeit des Notars und mithin der notariellen Nachlassverzeichniserstellung auf:
a) Ermittlungspflicht des Notars
Mit dieser Entscheidung wiederholt der BGH jedoch zunächst abermals seinen Obersatz zur Erstellung von notariellen Nachlassverzeichnissen:
Zitat
"Ein notarielles Nachlassverzeichnis soll […] eine größere Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Auskunft als das private Verzeichnis des Erben bieten, weshalb der Notar den Bestand des Nachlasses selbst und eigenständig ermitteln und durch Bestätigung des Bestandsverzeichnisses als von ihm aufgenommen zum Ausdruck bringen muss, dass er den Inhalt verantwortet. Der Notar ist in der Ausgestaltung des Verfahrens weitgehend frei. Er muss zunächst von den Angaben des Auskunftspflichtigen ausgehen. Allerdin...