Trotz der vorgängig geschilderten klaren Rechtslage kam es sowohl in Westfalen als auch in Niedersachsen zu Erbstreitigkeiten, die sich über mehrere Instanzen hinzogen. Im Wesentlichen ging es um die Höhe der Erbquote der hinterbliebenen Ehegatten bei Beteiligung von Halbgeschwistern der Erblasser, die jeweils nicht testiert hatten. Die hinterbliebenen Ehefrauen lebten jeweils im Zeitpunkt des Erbfalls im Güterstand der Zugewinngemeinschaft, die Eltern des Erblassers waren vorverstorben, nur ein Elternteil hatte Nachkommen (eben Halbgeschwister des Erblassers). Die Ehefrauen beantragten jeweils Erbscheine, die sie mit Erbquoten von 7/8 ausweisen sollten. Sie begründeten dies damit, dass in Fällen, in denen beide Elternteile des Erblassers vorverstorben seien und nur Abkömmlinge eines Elternteils (also Halbgeschwister des Erblassers und deren Abkömmlinge) noch vorhanden seien, der auf den (bis auf den Erblasser) kinderlos vorverstorbene Elternteil entfallende Erbanteil dem überlebenden Ehegatten zustehe. Dies ergebe sich daraus, dass an die Stelle des kinderlos vorverstorbenen Elternteils keine Abkömmlinge treten könnten. Dann sei gem. § 1926 Abs. 1 BGB auf die Großeltern zurückzugehen. Wenn diese sämtlich ebenso vorverstorben seien, erhalte der überlebende Ehegatte gem. § 1931 Abs. 2 BGB den auf das vorverstorbene Großelternpaar entfallenden Erbanteil zusätzlich. Die Gerichte stellten hingegen in richtiger Würdigung der Rechtslage fest, dass genau dieser Rückgriff auf die Großeltern des Erblassers fehlerhaft sei, wenn der andere vorverstorbene Elternteil Abkömmlinge hinterlassen habe. Ein solcher Gedanke sei mit der von § 1930 BGB angeordneten successio ordinis nicht vereinbar, nach der Erben der vorhergehenden Ordnung die Erben einer höheren Ordnung von der Erbschaft ausschlössen. Es seien mit den Halbgeschwistern Erben der zweiten Ordnung vorhanden, sodass kein Erbe der dritten Ordnung berufen werde. Zudem scheitere eine Erhöhung des Erbteils des hinterbliebenen Ehegatten daran, dass die Erbquote des Ehegatten grundsätzlich fest sei. Der Ehegatte könne nicht an die Stelle eines vorverstorbenen Elternteils des Erblassers treten. Das BGB unterscheide grundsätzlich zwischen Ehegatten- und Verwandtenerbrecht. Die Ehegatten seien damit nur Erben mit Erbquoten von jeweils 3/4 geworden.
Abschließen soll die Beleuchtung der gerichtlichen Auseinandersetzung mit dem Erbrecht der halben Geburt eine Fallstudie aus Baden-Württemberg: In einer primär unterhaltsrechtlichen Streitigkeit nahm das Oberlandesgericht Stuttgart mit Urteil vom 14.12.1999 im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen eines Beschränkungswegfalls nach § 1586 Abs. 1 S. 2 BGB aF auch zum Erbrecht von Halbgeschwistern neben dem Ehegatten Stellung. Dem Fall lag folgender Lebenssachverhalt zugrunde: Die Eltern des Erblassers waren vorverstorben, aus der ersten Ehe des Vaters waren aber Abkömmlinge zum Zeitpunkt des Erbfalls existent. Das Oberlandesgericht stellte nun unter der Annahme eines Bestandes der Ehe der Beklagten mit dem Erblasser zum Zeitpunkt des Erbfalls fest, dass "der fiktive Pflichtteilsanspruch der Beklagten gem. § 1931 Abs. 1, 2303 Abs. 2 BGB 1/4 [beträgt], wenn der Verstorbene und seine Brüder die gleichen Eltern gehabt hätten. Da nur Halbgeschwister da waren, reduziert sich der Erbteil der Stiefbrüder bzw. ihrer Kinder auf 1/4. Das weitere 1/4 Erbteil der Mutter des Verstorbenen verbleibt damit der Beklagten". Rechtsfehlerhaft ist die Meinung des Oberlandesgerichts, dass das hypothetisch auf die Mutter entfallene Viertel bei Fehlen von Abkömmlingen der Ehefrau zuzuschlagen sei. Das Oberlandesgericht zitierte hierfür keine Norm, was schlechterdings auch nicht möglich ist. Schließlich bestimmt das Bürgerliche Gesetzbuch mit seiner strikten Trennung von Verwandten- und Ehegattenerbrecht eine Erhöhung des gesetzlichen Erbteils des Ehegatten in solchen Fällen neben Verwandten der zweiten Ordnung gerade nicht. Der Bundesgerichthof hob mit Urteil vom 5.2.2003 das Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart auf. Er begründete wie folgt: "Der einem Ehegatten zustehende gesetzliche Erbteil bestimmt sich nach § 1931 BGB. Er beträgt, wenn der Ehegatte neben Verwandten der zweiten Ordnung zum gesetzlichen Miterben berufen ist, 1/2 (§ 1931 Abs. 1 S. 1 BGB). An dieser Quote ändert sich auch dann nichts, wenn die Eltern des Erblassers vorverstorben sind und Abkömmlinge ausschließlich vom Vater oder ausschließlich von der Mutter des Erblassers abstammen."