Wendet der Erblasser dem Vermächtnisnehmer ein Kontoguthaben zu, das bei Testamentserrichtung nur einen geringen Teil seines Vermögens ausmacht, entstehen Lücken in der letztwilligen Verfügung, wenn zum Zeitpunkt des Erbfalls, z. B. durch eine nach Testamentserrichtung erhaltene Erbschaft oder durch den Zufluss aus einer Veräußerung von anderen Wirtschaftsgütern, das vermachte Kontoguthaben den überwiegenden Teil des Nachlasses darstellt. Im Zweifel ist nicht davon auszugehen, dass der Erblasser das zum Zeitpunkt des Erbfalls vorhandene Guthaben einschließlich des Veräußerungserlöses zuwenden wollte, wenn der Erblasser den Vermächtnisnehmer nicht an dem Erlös partizipieren lassen wollte.[14]

 
Praxis-Beispiel

Hat der Erblasser im vorstehenden Beispiel seiner Schwester seine gesamten Kontoguthaben vermacht und veräußert kurz vor dem Erbfall die Eigentumswohnung, deren Erlös auf einem Konto des Erblassers gutgeschrieben wird, wird der hypothetische Erblasserwille dahingehend auszulegen sein, dass er seiner Schwester nur das bei Testamentserrichtung vorhandene Kontoguthaben, nicht aber auch das Guthaben, das aus der Veräußerung der Eigentumswohnung stammt, zuwenden wollte.

Das Vermächtnis kann bei einem Zufluss auf vermachte Konten aber auch so ausgelegt werden, dass dem Vermächtnisnehmer das gesamte zum Zeitpunkt des Erbfalls vorhandene Guthaben zukommen soll, wenn ein entsprechender Begünstigungswille des Erblassers feststellbar ist.

 
Praxis-Beispiel

Der Erblasser im vorstehenden Beispiel hat seiner Schwester seine Depots vermacht, die bei Testamentserrichtung einen Depotwert von 200.000 EUR, beim Erbfall hingegen wegen erheblicher Kurssteigerungen einen Wert von 300.000 EUR aufweisen. Hier ist bei Fehlen anderweitiger Anhaltspunkte davon auszugehen, dass der Erblasser seiner Schwester das beim Erbfall vorhandene Depotguthaben zuwenden wollte.

[14] Vgl. Horn (Fn 11), § 7 Rn 27.

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