Leitsatz
Gegen einen Feststellungsbeschluss, der eine mit dem Tod des Vorerben eingetretene Nacherbfolge ausweist, ist der Eigenerbe des Vorerben beschwerdebefugt, wenn er geltend macht, die Testamentsauslegung führe zu dem Ergebnis, sein Rechtsvorgänger sei nicht lediglich als Vorerbe, sondern als Vollerbe des Erblassers berufen.
OLG Hamm, Beschluss vom 18. Juli 2013 – I-15 W 88/13
Aus den Gründen
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Vorab ist dabei auf Folgendes hinzuweisen: Soweit das Amtsgericht die Beschwerde gegen die Erteilung des Erbscheins vom 18.6.1991 zurückgewiesen hat, ist dieser Teil der Entscheidung dem Senat nicht zur Entscheidung angefallen. Gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG ist auf Verfahren, die vor dem 1.9.2009 eingeleitet worden sind, das bisherige Recht anzuwenden. Der Begriff des Verfahrens umfasst dabei auch die Behandlung und Entscheidung von Rechtsmitteln. Dementsprechend ist für die Entscheidung über diese Beschwerde das Landgericht Münster zuständig. Allerdings weist der Senat den Beschwerdeführer darauf hin, dass er gut beraten ist, diese Beschwerde zurückzunehmen. Ziel der Beschwerde gegen einen bereits erteilten Erbschein konnte und kann nach altem und neuem Verfahrensrecht nur die Einziehung des Erbscheins sein. Hier ist der Erbschein jedoch bereits durch Beschluss vom 11.7.2012 eingezogen worden, sodass die Beschwerde ins Leere geht.
Die gegen den Feststellungsbeschluss vom 16.10.2012 gerichtete Beschwerde ist zulässig. Die Beschwerde anderer Verfahrensbeteiligter gegen einen Feststellungsbeschluss setzt unter dem Gesichtspunkt der Beschwerdebefugnis eine rechtliche Beeinträchtigung im Sinne des § 59 Abs. 1 FamFG voraus. Diese liegt vor, wenn unmittelbar mit tatsächlich störender Wirkung in ein dem Beschwerdeführer zustehendes subjektives Recht eingegriffen wird, die Ausübung des Rechts also gefährdet, erschwert, verschlechtert oder sonst ungünstig beeinflusst wird. Für das Verfahren betreffend die Erteilung eines Erbscheins bedeutet dies, dass durch die amtsgerichtliche Entscheidung derjenige beeinträchtigt wird, der geltend macht, dass seine erbrechtliche Stellung in dem Feststellungsbeschluss nicht oder nicht richtig ausgewiesen wird; er muss also das für einen anderen bezeugte Erbrecht ganz oder teilweise für sich selbst in Anspruch nehmen (vgl. Senat OLGZ 1986, 152; Keidel/Meyer-Holz, FamFG, 17. Aufl., § 59 Rn 77).
Der Beteiligte zu 2) nimmt allerdings ein Erbrecht nach der Erblasserin nicht in Anspruch. Er kommt lediglich als gesetzlicher Eigenerbe auf den Nachlass des am 1.5.2012 verstorbenen C1 in Betracht. Dieser Gesichtspunkt schließt unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles indessen eine Beschwerdeberechtigung des Beteiligten zu 2) gegen den Feststellungsbeschluss zur Erteilung eines Erbscheins für den Beteiligten zu 1) als Nacherben der Erblasserin nicht aus. Denn der Beteiligte zu 2) macht hier gerade geltend, sein Bruder C1 habe die Rechtsstellung eines unbeschränkten Vollerben der Erblasserin erlangt. Unter diesem Gesichtspunkt ist also die Frage aufgeworfen, ob der landwirtschaftliche Besitz der Erblasserin zum Zeitpunkt des Todes des C1 zu seinem freien Vermögen gehört oder der Nacherbfolge unterliegt. Wird dem Beteiligten zu 1) ein Erbschein entsprechend dem Feststellungsbeschluss erteilt, so kann er gemäß § 35 GBO die Grundbuchberichtigung des landwirtschaftlichen Besitzes auf sich herbeiführen. Dies würde unmittelbar zu einer Schmälerung der Rechte des Beteiligten zu 2) als gesetzlicher Erbe des C1 führen. Er muss sich deshalb an dem Erbscheinsverfahren für den Nachlass der Erblasserin mit einem eigenen Rechtsmittel jedenfalls in dem vorliegenden Fall beteiligen können, in dem es um den Bestand der Beschränkungen der Nacherbschaft für C1 geht. Dementsprechend hat der Senat bereits nach dem bisherigen Recht in einer vergleichbaren Verfahrenssituation eine Beschwerdebefugnis (bisher in § 20 Abs. 1 FGG geregelt) bejaht (Beschl. v. 27.5.1997 – 15 W 47/1997).
In der Sache ist das Rechtsmittel begründet, weil das Amtsgericht dem Testament vom 15.3.1985 zu Unrecht die Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft entnommen hat. Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Amtsgerichts, dass das privatschriftliche Testament erkennbar auslegungsbedürftig ist.
Die Testamentsauslegung hat zum Ziel, den wirklichen Willen des Erblassers zu erforschen. Dabei ist zwar vom Wortlaut auszugehen. Dieser ist jedoch nicht bindend. Vielmehr sind der Wortsinn und die vom Erblasser benutzten Ausdrücke zu hinterfragen, um festzustellen, was er mit seinen Worten hat sagen wollen und ob er mit ihnen genau das wiedergegeben hat, was er zum Ausdruck bringen wollte (BGH NJW 1993, 256 mwN). Maßgeblich ist insoweit allein sein subjektives Verständnis der von ihm verwendeten Begriffe (BGH FamRZ 1987, 475, 476; Palandt/Weidlich, BGB, 72. Aufl., § 2084 Rn 1). Zur Ermittlung des Inhalts der testamentarischen Verfügungen ist der gesamte Inhalt der Testamentsurkunde einschließlich aller Nebenumstände, auch solcher ...