Durch Erbfall oder Schenkung kann es aus ertragsteuerlicher Sicht zum "Wegzug" kommen, wenn infolge des Todes oder der Schenkung das deutsche Besteuerungsrecht an bestimmten vererbten oder verschenkten Vermögensgegenständen endet. Durch den Ausschluss des deutschen Besteuerungsrechts kann eine "Wegzugssteuer" ausgelöst werden, die kumulativ neben die Erbschaftsteuer aus dem Erbfall (der Schenkung) tritt.
1. Wegzugssteuer für Anteile an Kapitalgesellschaften (§ 6 AStG)
§ 6 AStG unterwirft die Wohnsitzverlegung ins Ausland bei Beteiligungen iSd § 17 EStG als fiktive Veräußerung der Einkommensteuer. Infolge der EuGH-Entscheidung vom 11.3.2004 zur französischen Wegzugssteuer hat der Gesetzgeber mit dem SEStEG vom 7.12.2006 die deutsche Wegzugsbesteuerung grundlegenden Änderungen unterzogen. Dabei wurde der Steuertatbestand, welcher durch die Absenkung der Wesentlichkeitsschwelle in § 17 Abs. 1 EStG ab 1.1.1999 von 25 % auf 10 % und ab 1.1.2001 von 10 % auf 1 % bereits erheblich ausgedehnt worden war, durch die Erstreckung auf Anteile an ausländischen Kapitalgesellschaften ab 1.1.2007 noch weiter gefasst.
a) Steuertatbestand
Der Wegzugssteuer gemäß § 6 AStG unterliegen natürliche Personen, die mindestens zehn Jahre im Inland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig waren. Bei früherem Erwerb der Anteile von Todes wegen oder durch Schenkung sind die Zeiten der unbeschränkten Steuerpflicht des früheren Erblassers (Schenkers) einzubeziehen (§ 6 Abs. 2 AStG). Die Wegzugsbesteuerung gilt für Deutsche wie Ausländer. War eine Person mehrfach befristet unbeschränkt steuerpflichtig im Inland, sind diese Zeiträume zusammenzurechnen. Sachlicher Anknüpfungspunkt des § 6 AStG ist das Halten von Anteilen iSd § 17 Abs. 1 EStG. Es liegt auf der Hand, dass ein Teil der seit Erstreckung der Vorschrift auf Anteile an ausländischen Kapitalgesellschaften vorhandenen zusätzlichen Steuerfälle mangels Kenntnis der Steuerpflichtigen weder erklärt noch von den Finanzbehörden entdeckt wird. Besteuerungsanlass ist grds. die Aufgabe des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthalts im Inland (§ 6 Abs. 1 S. 1 AStG). Dieser Grundtatbestand wird durch wichtige Ersatztatbestände ergänzt, welche ebenfalls die Wegzugssteuer auslösen. Im Kontext der Vermögensnachfolge ist das insbesondere der unentgeltliche Erwerb von Anteilen iSv § 17 Abs. 1 S. 1 EStG durch Personen, die nicht der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht in Deutschland unterliegen (§ 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AStG). Die Wegzugssteuer kann demgemäß ganz ohne Wegzug durch Tod des Anteilseigners oder durch Schenkung seiner Anteile an einen im Ausland ansässigen Erwerber – und damit häufig unwissentlich – ausgelöst werden. Es stellt sich dann das Problem einer gleichzeitigen Substanzbelastung des Anteilswerts mit Einkommensteuer und Erbschaftsteuer, die allenfalls bei der Erbschaftsteuer durch Freibeträge oder §§ 13 a ff ErbStG abgemildert werden kann.
b) Rechtsfolgen der Wegzugsbesteuerung
Der steuerpflichtige fiktive Veräußerungsgewinn ist die Differenz zwischen dem gemeinen Wert der Anteile (§ 9 BewG) im Zeitpunkt des Wegzugs und ihren historischen Anschaffungskosten (§ 6 Abs. 1 S. 4 AStG). Ungeklärt ist dabei, ob es zu einer Aufstockung der Anschaffungskosten kommt, wenn der Erblasser (Schenker) Anteile an einer ausländischen Kapitalgesellschaft überträgt, die er bereits vor dem 1.1.2007 gehalten hat und deren stille Reserven teilweise aus jener Zeit stammen. M.E. ist der Gesetzgeber durch das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot gehindert, vor 2007 entstandene Wertsteigerungen in solchen Beteiligungen der Wegzugssteuer zu unterwerfen. Ein weiterer Streitpunkt mit den Finanzbehörden ist die Ermittlung des gemeinen Werts im Wegzugszeitpunkt. Die Finanzbehörden wenden das vereinfachte Ertragswertverfahren (§ 11 Abs. 2 S. 4 iVm §§ 199 ff BewG) an, das trotz Deckelung des Kapitalisierungsfaktors seit 1.1.2016 (§ 203 BewG) zu teils überhöhten Werten führt. Als Ausweg bleibt ein Wertgutachten z. B. nach IDW S 1 zum Nachweis, dass das vereinfachte Ertragswertverfahren zu einem "offensichtlich unzutreffenden Ergebnis" führt (§ 199 Abs. 1 BewG). Zu bemängeln ist schließlich, dass das Gesetz für die Ermittlung des gemeinen Werts für Zwecke des § 6 AStG – anders als für Zwecke der Erbschaftsteuer – keine gesonderte Feststellung vorsieht. Bei Meinungsverschiedenheiten über den Wert muss daher der Einkommensteuerbescheid für das Jahr des Wegzugs offengehalten werden, während bei der Erbschaftsteuer der jeweilige Feststellungsbescheid angefochten werden muss.
c) Stundung und Entfallen der Steuer
Angesichts der substantiellen Folgen ...