Leitsatz
Das Beschwerdegericht kann im Rahmen der isolierten Anfechtung der Kostenentscheidung sämtliche Umstände des Einzelfalls nachprüfen und ist nicht auf die Überprüfung von Ermessensfehlern des Ausgangsgerichts beschränkt.
OLG Stuttgart, Beschluss vom 7. Juni 2019 – 8 W 131/19
Sachverhalt
Die am 9.12.2016 verstorbene Erblasserin war in zweiter Ehe mit dem Beteiligten zu 1 verheiratet, der Beteiligte zu 2 ist ihr Sohn aus erster Ehe. Die Erblasserin errichtete am 14.2.2016 mit dem Beteiligten zu 1 ein gemeinschaftliches Testament mit gegenseitiger Erbeinsetzung.
Der Beteiligte zu 2 wurde zu dem Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1 vom ... 2017 angehört. Mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 21.2.2017 regte der Beteiligte einen Unterschriftenvergleich an und wies darauf hin, dass das gemeinschaftliche Testament mindestens drei Handschriften enthalte. Das Nachlassgericht erhob daraufhin Beweis durch Gutachten eines Schriftsachverständigen, der zum Ergebnis kam, dass die Erblasserin mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Ort, Datum und die Unterschrift "... ..." eigenhändig geschrieben hat. Für das Gutachten sind Kosten in Höhe von 2.781,03 EUR angefallen. Nachdem der Beteiligte zu 2 mit Schriftsatz vom 4.12.2017 mitteilen ließ, dass die erhobenen Einwendungen nicht mehr aufrecht erhalten werden, hat das Nachlassgericht mit – den Beteiligten nicht zugestelltem – Beschluss vom 11.12.2017 den Erbschein antragsgemäß erteilt. Der Beschluss enthält keine Kostenentscheidung. Unter dem 12.12.2017 teilte das Nachlassgericht den Beteiligten mit, dass wegen der Kosten noch eine Entscheidung gemäß den Bestimmungen in § 81 FamFG zu treffen sei. Mit Schriftsatz vom 27.12.2017 hat der Beteiligte zu 2 beantragt, die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten des Sachverständigen dem Antragsteller aufzuerlegen. Der Beteiligte zu 1 hat mit Schriftsatz vom 29.12.2017 beantragt, die Kosten für das Sachverständigengutachten dem Beteiligten zu 2 aufzuerlegen. Mit Beschluss vom 3.4.2019 hat das Amtsgericht Heilbronn als Nachlassgericht die Kosten des Nachlassverfahrens, insbesondere die Kosten für das Sachverständigengutachten dem Beteiligten zu 1 auferlegt.
Gegen diese den Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 1 am 8.4.2019 zugestellte Entscheidung hat der Beteiligte zu 1, vertreten durch seinen Verfahrensbevollmächtigten, mit Telefax vom 11.4.2019 Beschwerde eingelegt, der das Amtsgericht mit Beschluss vom 25.4.2019 nicht abgeholfen hat.
Aus den Gründen
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 ist zulässig. Der Senat legt die ohne Kostenausspruch getroffene Entscheidung des Nachlassgerichts über den Erbschein vom 11.12.2017 und die mit Beschluss vom 3.4.2019 getroffene isolierte Kostenentscheidung als jeweils mit der Beschwerde nach § 58 FamFG angreifbare Teilbeschlüsse aus (vgl. hierzu Meyer-Holz in Keidel, FamFG, 19. Aufl., § 43, Rn 3). Aus dem Hinweis vom 12.12.2017 ergibt sich, dass das Nachlassgericht im Beschluss vom 11.12.2017 absichtlich über die Kosten nicht entschieden hatte. Mithin ist auszuschließen, dass die Kostenentscheidung versehentlich nicht getroffen wurde – in diesem Fall käme nur eine Beschlussergänzung nach § 43 FamFG in Betracht (OLG München, Beschluss vom 20. Februar 2012 – 31 Wx 565/11, Rn 16, juris; Meyer-Holz aaO) – oder dass das Nachlassgericht mit der Nichtentscheidung über die Kosten zum Ausdruck bringen wollte, dass weder eine Erstattung außergerichtlicher Kosten noch eine Änderung der aus § 22 Abs. 1 GNotKG resultierenden alleinigen Haftung des Beteiligten zu 1 für die Gerichtskosten beabsichtigt war – in diesem Fall hätte der Beteiligte zu 1 schon den Beschluss vom 11.12.2017 mit der Beschwerde angreifen müssen (OLG München aaO).
In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg. Über die Kosten des Verfahrens, zu denen gemäß § 80 FamFG die Gerichtskosten und die zur Durchführung des Verfahrens notwendigen Aufwendungen der Beteiligten gehören, entscheidet das Gericht in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit gemäß § 81 FamFG nach billigem Ermessen. Im Beschwerdeverfahren hat das Beschwerdegericht die Ermessensentscheidung der Ausgangsinstanz in vollem Umfang nachzuprüfen, ist also nicht auf die Kontrolle von Ermessensfehl- oder Ermessensnichtgebrauch beschränkt (OLG Frankfurt, Beschluss vom 20. Januar 2017 – 1 WF 182/16 –, juris Rn 17; Beschluss vom 20. Oktober 2016 – 1 WF 185/16 –, juris Rn 3; Rojahn in Burandt, FamFG Kommentar, 3. Auflage 2019, § 81 FamFG Rn 5; aA. OLG Düsseldorf, FGPrax 2016, 47; OLG Hamm, MDR 2013, 469; OLG Hamburg, FGPrax 2014, 138; Zimmermann in Keidel aaO, § 81, Rn 81 a). Da für Beschwerdeentscheidungen gemäß § 69 Abs. 3 FamFG die Vorschriften über den Beschluss im ersten Rechtszug entsprechend gelten, kann die Beschwerde im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit einschränkungslos auch auf neue Tatsachen und Beweismittel gestützt werden (§ 65 Abs. 3 FamFG). Daraus folgt, dass das Beschwerdegericht eine vollständige Prüfung des Sachverhalts, so wie er sich im Zeitpunkt der Beschwerdeen...