In dem Revisionsverfahren (Az. BFH II R 49/21) bestehen drei Möglichkeiten. Der BFH kann streng nach dem Wortlaut von § 13 Abs. 2 S. 2 ErbStG entscheiden, was zur Aufhebung des Urteils des FG führen würde, eine Vorlageentscheidung an das BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG i.V.m. § 80 Abs. 2 S. 1 BVerfGG treffen oder eine einschränkende Auslegung wählen, wobei sich dann die Frage nach dem Abgrenzungskriterium stellt.
1. Wortlaut
Insbesondere die Ausführungen des II. Senats des BFH in den Urteilen zum jungen Verwaltungsvermögen auch in den Fällen des Aktivtauschs werden von Teilen der Literatur als Einschränkung der vertretbaren Auslegung und des Gebots der Entscheidung nach dem Wortlaut interpretiert. In diesen Entscheidungen betont der II. Senat des BFH, dass die Grenzen vertretbarer Auslegung und zulässiger richterlicher Rechtsfortbildung zwar weit gezogen seien, sich aber nicht dem vom Gesetzgeber festgelegten Sinn und Zweck des Gesetzes entziehen dürfen, sondern die gesetzgeberischen Grundsatzentscheidungen respektieren müssen. Sodann führt der BFH aus:
Zitat
"Eine Interpretation, die sich über den klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers hinwegsetzt, greift unzulässig in die Kompetenz des demokratisch legitimierten Gesetzgebers ein (im Einzelnen BVerfG vom 26.11.2018 – 1 BvR 318/17, 1 BvR 1474/17, 1 BvR 2207/17, NJW 2019, 351, BeckRS 2018, 34020 Rn 29 bis 32)."
In der vom BFH herangezogenen Fundstelle BeckRS 2018, 34020 Rn 29 – 32 führt das BVerfG dazu unter Rn 31 aus:
Zitat
"Für die Beantwortung der Frage, welche Regelungskonzeption dem Gesetz zugrunde liegt, kommt neben Wortlaut und Systematik den Gesetzesmaterialien eine Indizwirkung zu." (es folgen Rechtsprechungshinweise)
Die Gesetzesmaterialien zu § 13b Abs. 2 S. 2 ErbStG machen m.E. deutlich, dass – anders als in den Urteilen zum jungen Verwaltungsvermögen – eine Entscheidung nach dem Wortlaut nicht geboten, sondern im Gegenteil die Entstehungsgeschichte eine einschränkende Auslegung erfordert.
a) Wille des Gesetzgebers
§ 13b Abs. 2 S. 2 ErbStG in seiner heutigen Fassung wurde durch die Beschlussempfehlung und den Bericht des Finanzausschusses vom 22.6.2016 mit folgender Begründung eingefügt:
Zitat
"Satz 2 nimmt solches begünstigungsfähiges Vermögen von der Verschonung aus, das nahezu ausschließlich aus Verwaltungsvermögen besteht. Besteht betriebliches Vermögen oder das Vermögen einer Gesellschaft zu mindestens 90 Prozent aus Verwaltungsvermögen, ist davon auszugehen, dass das gesamte betriebliche Vermögen nicht schutzwürdig ist. Mit der Ausnahme solcher Gesellschaften von der Verschonung werden Gestaltungsmöglichkeiten ausgeräumt, die nach dem Urteil des BVerfG vom 17.12.2014 – 1 BvL 21/12 verfassungswidrig sein können."
Diese Begründung bezieht sich erkennbar auf die Ausführungen des BVerfG zu den sog. Cash-Gesellschaften die lauten:
Zitat
"§§ 13a und 13b ErbStG sind gleichheitswidrig, soweit sie die Begünstigung der vom BFH angeführten "Cash-Gesellschaften" zulassen. Die Bestimmungen des § 13b Abs. 1 und 2 ErbStG in der bis zum Inkrafttreten des neu durch das AmtshilfeRLUmsG vom 26.6.2013 (BGBl I 2013, 1809) eingefügten § 13b Abs. 2 S. 2 Nr. 4a ErbStG geltenden Fassung über die Abgrenzung zwischen begünstigtem und nicht begünstigtem Vermögen verstoßen gegen Art. 3 Abs. 1 GG, indem sie rein vermögensverwaltende Gesellschaften, deren Vermögen ausschließlich aus Geldforderungen besteht wie die sog. Cash-GmbH zum begünstigtem Vermögen zählen."
Dabei hatte der Finanzausschuss wohl nicht hinreichend berücksichtigt, dass die Vorlage durch den BFH vom 27.9.2012 die Frage betraf, ob die Bestimmungen über die Befreiung von der Erbschaft- und Schenkungsteuer für Betriebsvermögen, Betriebe der Land- und Forstwirtschaft und Anteile an Kapitalgesellschaften in §§ 13a und 13b ErbStG i.V.m. der Tarifvorschrift des § 19 Abs. 1 ErbStG in ihrer im Jahr 2009 maßgeblichen Fassung gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen. Dabei führte der BFH die Cash-Gesellschaften an, die nach seiner – durch das BVerfG später korrigierten Rechtsauffassung – nicht über § 42 AO erfasst werden könnten.
Für Erwerbe, die nach dem 6.6.2013 entstanden, galt das ErbStG i.d.F. durch Art. 30 des Gesetzes zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (AmtshilfeRLUmsG) vom 26.6.2013. Mit diesem Gesetz wurde der Verwaltungsvermögenskatalog durch einen neuen § 13b Abs. 2 Nr. 4a ErbStG ergänzt, der lautete:
Zitat
"der gemeine Wert des nach Abzug des gemeinen Werts der Schulden verbleibenden Bestands an Zahlungsmitteln, Geschäftsguthaben, Geldforderungen und anderen Forderungen, soweit er 20 Prozent des anzusetzen...