Im Ertragswertverfahren (§§ 184-188 BewG) sind nach § 182 Abs. 3 BewG Mietwohngrundstücke sowie Geschäftsgrundstücke und gemischt genutzte Grundstücke, für die sich auf dem örtlichen Grundstücksmarkt eine übliche Miete ermitteln lässt, zu bewerten. Beim Ablauf des Ertragswertverfahrens selbst haben sich keine Änderungen ergeben. Geändert haben sich die Ermittlung der Bewirtschaftungskosten (§ 187 i.V.m. Anlage 23 BewG), die gesetzlichen Liegenschaftszinssätze (§ 188 BewG) sowie die Ermittlung der Restnutzungsdauer (§ 185 Abs. 3 S. 3 ff. BewG). Zudem ergibt sich infolge der geänderten Liegenschaftszinssätze und Gesamtnutzungsdauern ein höherer Vervielfältiger nach § 185 Abs. 3 i.V.m. Anlage 21 BewG.
Der Wert der baulichen Außenanlagen und sonstigen Anlagen ist nach § 184 Abs. 4 BewG mit dem ermittelten Ertragswert abgegolten.
Abb. 1: Gegenüberstellung des bisherigen mit dem geänderten Ertragswertverfahren
a. Bewirtschaftungskosten, § 187 i.V.m. Anlage 23 BewG
Die Ermittlung der Bewirtschaftungskosten nach Anlage 23 BewG wurde an die Anlage 3 ImmoWertV angepasst. Daher sind die Bewirtschaftungskosten nicht mehr wie bisher pauschal mit Erfahrungssätzen anzusetzen, sondern sind nun nach § 187 Abs. 2 BewG aus den bei gewöhnlicher Bewirtschaftung nachhaltig entstehenden Verwaltungskosten und Instandhaltungskosten sowie dem Mietausfallwagnis zu ermitteln. Tatsächlich entstandene Bewirtschaftungskosten sind jedoch nicht zu berücksichtigen. Es ist zu beachten, dass die Verwaltungs- und Instandhaltungskosten für Wohnnutzung nach § 187 Abs. 3 S. 2 BewG jährlich mit dem Prozentsatz anzupassen sind, um den sich der Verbraucherpreisindex (VPI) für den Monat Oktober 2001 gegenüber demjenigen für den Monat Oktober des Jahres, das dem Bewertungsstichtag vorausgeht, erhöht oder verringert hat.
Nach Anlage 23 BewG sind die Bewirtschaftungskosten für Wohnnutzung sowie gewerbliche Nutzung wie folgt zu ermitteln:
Abb. 2: Ermittlung der Bewirtschaftungskosten nach Anlage 23 BewG
b. Liegenschaftszinssatz, § 188 BewG
Die Definition der Liegenschaftszinssätze nach § 188 Abs. 1 BewG wurde an die Definition nach § 21 Abs. 2 S. 1 ImmoWertV angepasst. Danach sind Liegenschaftszinssätze Kapitalisierungszinssätze, mit denen Verkehrswerte von Grundstücken je nach Grundstücksart im Durchschnitt marktüblich verzinst werden. Es ist vorrangig auf die von den Gutachterausschüssen für die jeweilige Grundstücksart ermittelten Liegenschaftszinssätze zurückzugreifen. Liegen keine geeigneten Liegenschaftszinssätze der Gutachterausschüsse vor, so sind die typisierten gesetzlichen Liegenschaftszinssätze des § 188 Abs. 2 S. 2 BewG anzuwenden. Diese wurden wie folgt an das aktuelle Marktniveau angepasst:
Abb. 3: Bisherige und geänderte Liegenschaftszinssätze
c) Restnutzungsdauer, § 185 Abs. 3 S. 3 ff. BewG
Die Restnutzungsdauer wird nach § 185 Abs. 3 S. 3 BewG aus dem Unterschiedsbetrag zwischen der Gesamtnutzungsdauer und dem Gebäudealter am Bewertungsstichtag ermittelt. Die Vereinfachungsregelung für das Alter eines Gebäudes wurde aus den ErbStR 2019 in § 185 Abs. 3 S. 4 BewG aufgenommen. Danach ist das Gebäudealter durch Abzug des Jahres der Bezugsfertigkeit des Gebäudes (Baujahr) vom Jahr des Bewertungsstichtags zu bestimmen.
Weiterhin wurden in § 185 Abs. 3 BewG die bisherigen S. 4 und 5 neu gefasst und die Ermittlung der Restnutzungsdauer konkretisiert. Sind nach Bezugsfertigkeit des Gebäudes Veränderungen eingetreten, die die Restnutzungsdauer des Gebäudes wesentlich verlängert haben, ist nach § 185 Abs. 3 S. 5 BewG von der entsprechend verlängerten Restnutzungsdauer auszugehen. Eine wesentliche Verlängerung der Restnutzungsdauer ist nur anzunehmen, wenn in den letzten zehn Jahren durchgreifende Modernisierungen vorgenommen wurden, die nach dem Punktesystem der nachfolgenden Tabelle 1 der AEBew JStG 2022 eine überwiegende oder umfassende Modernisierung ergeben. Eine überwiegende Modernisierung liegt bei 14 bis 16 Punkten und eine umfassende Modernisierung ab 18 Punkten vor. Hinsichtlich der durchgeführten Modernisierungsarbeiten ist auf die überwiegende Erneuerung bzw. Verbesserung der jeweiligen einzelnen Bauteile (Modernisierungselemente) abzustellen. Die verlängerte Restnutzungsdauer ergibt sich dann aus den Tabellen 2 bis 7 der AEBew JStG 2022.
Abb. 4: Tabelle 1 der AEBew JStG 2022
Eine Verkürzung der Restnutzungsdauer kommt nach dem neu gefassten § 185 Abs. 3 S. 7 BewG nur noch bei einer bestehenden Abbruchverpflichtung in Betracht. Baumängel, Bauschäden oder wirtschaftliche Gegebenheiten führen zu keiner Verkürzung der Restnutzungsdauer.