1
Mit dem Jahressteuergesetz 2022 (JStG 2022) wurden insbesondere auch die Vorschriften der Grundbesitzbewertung nach den §§ 176 ff. BewG geändert und an die Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) vom 14.7.2021 angepasst. Das JStG 2022 trat zum 21.12.2022 in Kraft und ist auf alle Bewertungsstichtage nach dem 31.12.2022 anzuwenden. Ziel der Änderung des Bewertungsgesetzes (BewG) durch das JStG 2022 war neben der Anpassung an die ImmoWertV insbesondere auch, die gesetzlichen Liegenschaftszinssätze und Sachwertfaktoren (Wertzahlen) an den aktuellen Immobilienmarkt anzupassen und dadurch im Falle nicht ermittelter Marktanpassungsfaktoren durch die Gutachterausschüsse trotzdem eine möglichst verkehrswertnahe Grundbesitzbewertung gewährleisten zu können. Denn obwohl die Immobilienpreise in den vergangenen Jahren enorm gestiegen sind, haben sich die gesetzlichen Werte des BewG seit der Erbschaftsteuerreform 2009 nicht verändert.
2
Am 20.3.2023 hat nun auch das Bundesministerium der Finanzen (BMF) die gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zur Anwendung der Vorschriften für die Bewertung des Grundvermögens in der Fassung des JStG 2022 (AEBew JStG 2022) veröffentlicht.
3
Der vorliegende Aufsatz widmet sich den geänderten Vorschriften der Grundbesitzbewertung unter besonderer Berücksichtigung der AEBew JStG 2022. Dabei sollen zunächst die bisherigen den geänderten Bewertungsverfahren gegenübergestellt und die einzelnen geänderten Komponenten erläutert werden. Anschließend werden die Auswirkungen auf die Erbschaft- und Schenkungsteuer anhand von zwei Berechnungsbeispielen verdeutlicht.
I. Änderungen der Vorschriften der Grundbesitzbewertung
Nach § 182 BewG ist der Wert bebauter Grundstücke nach dem Vergleichswertverfahren (§ 182 Abs. 2, § 183 BewG), dem Ertragswertverfahren (§ 182 Abs. 3, §§ 184-188 BewG) oder dem Sachwertverfahren (§ 182 Abs. 4, §§ 189-191 BewG) zu ermitteln. Welches Bewertungsverfahren anzuwenden ist, richtet sich dabei nach der Grundstücksart i.S.d. § 181 BewG.
Änderungen durch das JStG 2022 haben sich nur beim Ertragswertverfahren und Sachwertverfahren ergeben. Bei der Anwendung des Vergleichswertverfahrens ist der Grundbesitz weiterhin unverändert aus Vergleichspreisen oder hilfsweise aus Vergleichsfaktoren abzuleiten.
1. Allgemeine Änderungen
a. Bewertungsmaßstab, § 177 BewG
Der Maßstab für die Grundbesitzbewertung ergibt sich aus § 177 BewG. Nach § 177 Abs. 1 BewG ist bei der Grundbesitzbewertung unverändert der gemeine Wert nach § 9 BewG zugrunde zu legen, der inhaltlich dem Verkehrswert i.S.d. § 194 BauGB entspricht. In § 177 Abs. 2 und 3 BewG hat der Gesetzgeber nun die Voraussetzungen für die Anwendung der von den Gutachterausschüssen i.S.d. §§ 192 ff. BauGB ermittelten sonstigen für die Wertermittlung erforderlichen Daten i.S.d. § 193 Abs. 5 S. 2 BauGB (Marktdaten) geregelt. Zu den Marktdaten zählen insbesondere Vergleichsfaktoren (§ 183 Abs. 2 BewG, § 20 ImmoWertV), Liegenschaftszinssätze (§ 188 Abs. 1 und 2 S. 1 BewG, § 21 Abs. 1 und 2 ImmoWertV) sowie Sachwertfaktoren (§ 191 S. 1 BewG, § 21 Abs. 1 und 3 ImmoWertV).
Für die Anwendung der Marktdaten ist nach § 177 Abs. 2 BewG der letzte Stichtag vor dem Bewertungsstichtag maßgeblich, sofern die Gutachterausschüsse die Marktdaten nach § 12 Abs. 1 S. 3 ImmoWertV auf einen Stichtag bezogen haben (Bezugsstichtag) und dieser nicht mehr als drei Jahre vor dem Bewertungsstichtag liegt. Liegt der Bezugsstichtag mehr als drei Jahre zurück oder ist kein Bezugsstichtag bestimmt, sind die Marktdaten anzuwenden, die von den Gutachterausschüssen für den letzten Auswertungszeitraum abgeleitet werden, der vor dem Kalenderjahr endet, in dem der Bewertungsstichtag liegt.
Weiterhin sind die Marktdaten nach § 177 Abs. 2 BewG nur anzuwenden, wenn sie unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Modellkonformität nach § 10 Abs. 1 S. 1 ImmoWertV als geeignet anzusehen sind. Dies ist nach § 177 Abs. 3 BewG der Fall, wenn die Ableitung der Marktdaten weitestgehend in denselben Modellen wie die Bewertungsverfahren nach dem BewG erfolgt ist.
Besondere objektspezifische Grundstücksmerkmale, wie beispielsweise den Wert beeinflussende Belastungen privatrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Art, werden bei der Bewertung nach § 177 Abs. 4 BewG nicht berücksichtigt.
b. Wohnungsbegriff, § 181 Abs. 9 BewG
Der Wohnungsbegriff nach § 181 Abs. 9 BewG wurde an die Rechtsprechung des BFH zur Grundsteuer angepasst und dem Wohnungsbegriff nach § 249 Abs. 10 BewG angeglichen. Die Wohnfläche einer Wohnung muss nicht mehr mindestens 23’m2, sondern soll mindestens 20 m2 betragen.