Das Familienheim ist offenbar nach wie vor eines der Lieblingsthemen der finanzgerichtlichen Rechtsprechung. Kaum eine Vorschrift des ErbStG ist Gegenstand so vieler Entscheidungen wie § 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a) bis c) ErbStG.
Welche Vorgänge beim Erwerb des Familienheims von Todes wegen begünstigt sind (nur der Erwerb von Eigentum und Miteigentum) und welche beim Erwerb durch den Ehegatten zu Lebzeiten (auch die Befreiung von Verbindlichkeiten sowie die Übernahme nachträglicher Anschaffungs- und Herstellungskosten), ist zwischenzeitlich ebenso ausführlich geklärt wie die Frage, was unter einem unverzüglichen Beginn der Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken zu verstehen ist.
Hinsichtlich des Umfangs eines (möglicherweise) begünstigten Familienheims schien der Gesetzgeber eine klare Regelung getroffen zu haben: In § 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c) ErbStG begrenzt er die Begünstigung für Kinder auf eine Wohnfläche von 200 m² bzw. den dieser Fläche entsprechenden anteiligen Wert. Demgegenüber sieht § 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a) und b) ErbStG keine solche Begrenzung vor.
Ob dies sachgerecht ist, darf bezweifelt werden. Und warum für den überlebenden Ehegatten ein großzügiger Palast steuerfrei bleiben soll, während die Kinder (im Zweifel mit junger Familie einschließlich Enkelkindern) sich mit 200 m² bescheiden sollen, wird wohl für immerdar das Geheimnis des Gesetzgebers bleiben. Klar ist aber, dass nach dem Wortlaut der Normen für den Erwerb des Ehegatten keine Größenbegrenzungen (und auch keine Wertbegrenzungen) existieren, weder im Hinblick auf die Wohnfläche noch hinsichtlich der Grundstücksgröße.
Mithin sollte man meinen, die Rechtslage sei klar. Denn offensichtlich hat der Gesetzgeber die Frage des Begünstigungsumfangs und insbesondere die der Größe des Familienheims gesehen und sie auch beantwortet.
Dessen ungeachtet ist das FG Niedersachsen der Auffassung, dass nur diejenige Grundstücksfläche in den Anwendungsbereich der Begünstigungen einbezogen werden dürfe, die als Teil des Familiengebrauchsvermögens anzusehen sei. Hierüber müssten Finanzverwaltung und Rechtsprechung unabhängig von der katastermäßigen oder bewertungsrechtlichen Ein- bzw. Zuordnung selbstständig entscheiden (können).
Trotz ausführlicher und durch entsprechende BFH-Rechtsprechung untermauerter Argumentation öffnet das Finanzgericht hier – bei Licht betrachtet – der Willkür Tür und Tor.
Gem. § 3 Abs. 1 AO sind Steuern "Geldleistungen, die […] allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft." Die Steuern stehen also ausdrücklich unter einem Gesetzesvorbehalt; das gilt auch für Steuerbefreiungsnormen und insbesondere für deren Einschränkung.
Bei allem Verständnis für verfassungsrechtliche Bedenken gegenüber den Details der Steuerbefreiungen für das Familienheim kann also nicht die subjektive Wahrnehmung oder selbst das pflichtgemäße Ermessen von Finanzbeamten und/oder Finanzrichtern den gesetzlichen Tatbestand ersetzen!
Genau das wäre aber die Quintessenz des niedersächsischen Urteils. Gut also, dass dagegen Revision eingelegt wurde.
ZErb 10/2024, S. I