(...) In der Sache ist die weitere Beschwerde unbegründet, da die Entscheidung des LG nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht, § 27 Abs. 1 FGG. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das LG zutreffend von einer zulässigen Erstbeschwerde ausgegangen. Auch in der Sache hält die Entscheidung der rechtlichen Nachprüfung stand. Der Senat hält lediglich eine abweichende Akzentuierung der rechtlichen Begründung für erforderlich.
Die Entscheidung richtet sich nach § 1822 Nr. 2 iVm § 1901 Abs. 2 und 3 BGB. Danach bedarf die Erklärung der Ausschlagung einer Erbschaft der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts; für die Entscheidung maßgeblich sind nach dem Sinn und Zweck der §§ 1821, 1822 BGB die – nicht allein objektiv zu bestimmenden – Interessen des Betreuten, wobei nicht allein seine finanziellen Interessen zu berücksichtigen sind, sondern alle Belange bei der Entscheidung Berücksichtigung finden müssen. Zum Wohl des Betreuten gehört es auch, ihm im Rahmen der ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ein Leben nach seinen Wünschen und Vorstellungen zu ermöglichen (vgl. OLG Köln ZEV 2008, 196). (...)
Bei der nach § 1822 BGB zu treffenden Entscheidung ist zwar ausschließlich auf die Interessen des Mündels bzw. Betreuten abzustellen. Auch hat das Vormundschaftsgericht nicht die Wirksamkeit der zu genehmigenden Erklärung als solche zu prüfen. Zu prüfen hat das Vormundschaftsgericht hingegen, ob die Erklärung infolge eines Gesetzes- oder Sittenverstoßes (§§ 134, 138 BGB) nichtig ist (OLG Frankfurt NJOZ 2005, 976 f mwN).
Die Frage, ob die Ausschlagung einer Erbschaft durch einen Sozialhilfeempfänger bzw. dessen Betreuer, die dazu führt, dass eine bereits bestehende sozialrechtliche Hilfebedürftigkeit fortbesteht, gegen § 138 Abs. 1 BGB verstößt, wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beantwortet (für die jedenfalls grundsätzliche Annahme eines Sittenverstoßes OLG Stuttgart NJW 2001, 3484 = ZEV 2002, 367; Staudinger/Otte, BGB, Neubearb. 2008, § 1942 Rn 22; Armbrüster in MüKo/BGB, 5. Aufl., § 138 Rn 45; Palandt/Ellenberger, BGB, 68. Aufl., § 138 Rn 50 a; Diederichsen, ebendort § 1896 Rn 20; PWW/Bauer, BGB, 2. Aufl., § 1822 Rn 6; ablehnend LG Aachen NJW-RR 2005, 307 f mit zust. Anm. NJW-Spezial 2005, 62; BeckOK-BGB/Siegmann/Hörger, Stand 2008, § 1942 Rn 13; jurisPK-BGB/Wildemann, 4. Aufl., § 1945 Rn 2; Mayer ZEV 2002, 369 [370]; Ivo FamRZ 2003, 6 ff; zweifelnd Lafontain, juris-PK, § 1822 Rn 217 ff; Leipold in MüKo/BGB, 4. Aufl., § 1945 Rn 13).
Der Senat schließt sich für die hier zur Entscheidung stehende Fallgestaltung der erstgenannten Auffassung an. Die Ausschlagung einer werthaltigen Erbschaft, die dazu führt, dass ein ansonsten für eine nicht unerhebliche Zeit ausgeschlossener Sozialleistungsanspruch (§§ 2, 90 Abs. 1 SGB XII) fortbesteht, verstößt gegen die guten Sitten, wenn nicht ausnahmsweise legitime Interessen des Erben geeignet sind, die Ausschlagung nachvollziehbar zu motivieren. Derjenige, der sich in der Situation befindet, dass er auf Sozialleistungen angewiesen ist, nimmt für sich die durch das Sozialstaatsprinzip verbürgte Solidarität der staatlichen Gemeinschaft in Anspruch. Nimmt er in dieser Situation einen ihm angetragenen Vermögenserwerb nicht wahr, so verweigert er umgekehrt der Gemeinschaft eben diese Solidarität, indem er rechtlich eine Bedürftigkeit vorschützt, die wirtschaftlich nicht besteht bzw. nicht bestehen müsste. Denn auch der Nachranggrundsatz des § 2 SGB XII ist Ausdruck einer umfassend verstandenen Solidarität, die praktisch nur funktionieren kann, wenn der Leistungsfähige nicht auf Sozialleistungen zurückgreift. Ein derart widersprüchliches Verhalten ist mit den guten Sitten ersichtlich nicht zu vereinbaren, es sei denn, es kann im Einzelfall auf Gründe gestützt werden, die die Rechtsordnung auch bei voller Würdigung der Allgemeininteressen akzeptieren muss.
Die Argumente, die für die gegenteilige Auffassung angeführt werden, vermögen den Senat nicht zu überzeugen.
Soweit jedenfalls andeutungsweise versucht wird, die Überlegungen, die den BGH bewogen haben, das sog. Behindertentestament als in der Regel sittenkonform anzusehen, auf die vorliegende Konstellation zu übertragen, geht dies fehl. Der BGH (vgl. etwa BGH NJW 1994, 248 ff) hat bei seinen Überlegungen zunächst die Testierfreiheit des Erblassers (Art. 14 Abs. 1 GG) in den Vordergrund gestellt. Danach ist dieser grundsätzlich nicht verpflichtet, bei seinem Testat auf die Interessen Dritter oder der Allgemeinheit Rücksicht zu nehmen, woraus heute ganz überwiegend gefolgert wird, dass die Sittenwidrigkeit einer letztwilligen Verfügung nur ganz ausnahmsweise angenommen werden kann (Ellenberger, aaO, Rn 49 mwN). Eine derartige Verpflichtung lasse sich dem BSHG (jetzt SGB XII) nicht, und zwar auch nicht in einer Gesamtschau der Vorschriften entnehmen. Weiter weist der BGH darauf hin, dass die bei einem typischen Behindertentestament zum Tragen kommende Motivation, die eigenen Kinder über die Möglichkeiten des Sozialrechts...