Leitsatz
1. Nach liechtensteinischer Rechtsprechung ist neben statuarisch vorbehaltenen Interventions- und Gestaltungsrechten zugunsten des Stifters zur Begründung eines Durchgriffs auf die Stiftung eine tatsächliche Missbrauchsabsicht des Stifters erforderlich. Eine solche liegt insbesondere vor, wenn mit der Stiftungseinrichtung in erster Linie der Zweck der Steuerhinterziehung in Deutschland verfolgt wird. Der Tod des Stifters ändert hieran nichts.
2. Sollen unter Ausnutzung der Freiheiten des liechtensteinischen Stiftungsrechts Steuern in Deutschland hinterzogen werden, so ist der Stiftungseinrichtung gemäß dem ordre public (Art. 6 EGBGB) die Anerkennung zu versagen.
OLG Düsseldorf, Urteil vom 30. April 2010 – I-22 U 126/06, (nicht rechtskräftig – BGH III ZR 106/10)
Sachverhalt
Der Kläger ist der einzige Sohn und Vorerbe des am 16.1.1999 verstorbenen M. P. (im Folgenden: Erblasser). Der Erblasser hat in seinem handschriftlichen Testament keine Vermächtnisse ausgesetzt (Bl 26 ff GA). Die Beklagten sind die Kinder des langjährigen Freundes und Geschäftspartners des Erblassers, Herrn J. J. Im Jahre 1992 errichtete der Erblasser im Alter von 81 Jahren die so bezeichnete M.-Stiftung in L., die zu den sog. B.-Stiftungen gehört. Der Erblasser konnte zu seinen Lebzeiten wie ein Kontoinhaber über das Stiftungsvermögen frei verfügen. Im Reglement der Stiftung vom 18.5.1993 heißt es (Bl 47 ff, GA):
Zitat
"Art. 1: "
Herrn M. P. […] stehen zu seinen Lebzeiten alle Rechte am Stiftungsvermögen und dessen Ertrag allein zu.
Art. 2:
Nach dem Ableben des Erstbegünstigen gemäss Art. 1 […] hat der Stiftungsrat gemäss § 8 der Stiftungsstatuten einen Familienrat zum Obersten Organ zu bestellen. […].
Art. 4:
Nach dem Ableben des Erstbegünstigten […] ist der Vermögenssocietät G. S. & Partner die Verwaltung des Stiftungsvermögens zu übertragen, […].
Art. 6:
Nach der jeweiligen Vollendung des 25. Lebensjahres der folgenden Personen sind einmalige Ausschüttungen zu machen:
DM 250´000.00 an A. J., geb. am 19.8.1978 […]
DM 250´000.00 an K. J., geb. am 30.7.1981 […].
Art. 10:
Herr M. P. hat jederzeit das Recht, dem Stiftungsrat Abänderungen dieses Reglements aufzutragen. Nach dem Tode von Herrn M. P. kann der Stiftungsrat nur noch Änderungen am Reglement vornehmen, die im Wesentlichen die Vorschriften des gegenwärtigen Reglements nicht beeinträchtigen.“
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das von den Beklagten in Kopie vorgelegte Reglement der Stiftung Bezug genommen.
In einem Schreiben an einen Bevollmächtigten des Klägers vom 26.11.1999 teilte das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung D. mit, dass nach den dortigen Ermittlungen die durch den Erblasser errichtete M.-Stiftung im Öffentlichkeitsregister verzeichnet sei und der Nachweis der Existenz der Stiftung nach Ansicht der Steuerfahndungsstelle D. eindeutig erbracht sei (Bl 154 GA). Die Finanzbehörde ging seinerzeit noch davon aus, dass die Übertragung von Vermögenswerten auf die Stiftung der Schenkungsteuer unterliege.
Bei einer Vernehmung im Rahmen eines u. a. gegen ihn selbst gerichteten steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens hatte sich der Erblasser als Beschuldigter am 7.10.1998 wie folgt geäußert:
Zitat
"Sofern ich gefragt werde, ob ich eine Familienstiftung in L. gegründet habe, erläutere ich Folgendes: "
Ich wollte für die Jugend (Enkel) etwas tun in Form einer Stiftung. Anfang der 90iger Jahre habe ich mich mit dem Problem befasst. Ich habe niemals verschwenderisch gelebt und viel sparen können, sodass es mein Ziel war, für die Enkel eine Stiftung zu gründen, dass sie mit ihrem 25. Lebensjahr 250.000,– DM überwiesen bekommen und ggf. sofern nötig monatlich 1.000,– DM zum Studium geleistet werden. Insgesamt wurden von mir ca. 3.000.000 (in Worten = drei Millionen) auf die Stiftung übertragen. Das Geld stammte aus meinen Ersparnissen bei der C. und T. & B. Bank in D. Zunächst habe ich mich bei der Steuerberatungsgesellschaft Treuarbeit nach der Gründung einer Stiftung erkundigt. Das war ca. Anfang der 90er Jahre. Die Gründung kam mir damals sehr kompliziert vor, sodass ich zunächst von einer Gründung abgesehen habe […]. Danach habe ich mich mit meinem Vermögensverwalter B. S. z von der Fa. G., S. & Partner Vermögensverwaltungs GmbH über diese Problematik unterhalten. […]. Schmitz wies mich darauf hin, dass man eine Stiftung in L. gründen könnte. Die Gründungsmodalitäten habe ich nur mit dem nach D. gekommenen Mitarbeiter des Büro B. besprochen […]. Die Gelder, die nach L. gebracht wurden, wurden von mir bar bei der C. bzw. T. & B. Bank D. abgeholt und bei mir zuhause diesem vorbenannten Mitarbeiter übergeben. Dieser hat dann dieses Geld, was sukzessive abgeholt wurde, mit einem Koffer nach L. gebracht und dort zugunsten der Stiftung einbezahlt. Unterlagen habe ich nie bekommen und wollte auch keine. […].“
Herr J. J. sagte in seiner Beschuldigtenvernehmung vom 7.8.2000 (Bl 146 ff GA) aus:
Zitat
"[…] Mitte der 80iger Jahre gelangten die Wertpapiere zur D. B. L.. […]. Zu Anfang wurde das Kapital...