ZErb 11/2010, ... übertrage ich im Wege der vorweggenomm ... / 1. Fragmentarische gesetzliche Regelung

Die vorweggenommene Erbfolge – zuweilen auch mit Übergabe-, Übertragungs- oder Generationennachfolgevertrag umschrieben^[1] – ist kein typisiertes Rechtsinstitut bürgerlichen Rechts.^[2] In das BGB hat der Begriff erst im Rahmen der Neuregelung des Landpachtrechts Mitte der 1980er Jahre, jedoch ohne weitere gesetzgeberische Präzisierung Einzug gehalten, § 593 a BGB; der Tatbestand wurde schlicht als bestehend vorausgesetzt.^[3]

Ob dem Gesetzgeber hierbei die höferechtliche Ausprägung vorschwebte, die bereits vier Dekaden zuvor in der Höfeordnung – freilich bruchstückhaft – kodifiziert worden war, lässt sich auch anhand der Gesetzesmaterialien^[4] nicht mehr feststellen; in Anbetracht des Sachzusammenhanges – Agrarrecht – läge dies durchaus nahe. Aber auch ohne diesen Zusammenhang hat die Regelung in den §§ 7, 17 HöfeO als legislativer "Urtyp"^[5] eine besondere Strahlkraft für das heute auf alle Wirtschaftszweige ausgedehnte Konzept entfaltet; hierauf wird später nochmals vertieft zurückzukommen sein.

Entsprechend der praktischen Bedeutung der vorweggenommenen Erbfolge gerade bei der Unternehmensnachfolge hat der Gesetzgeber den Terminus dann geraume Zeit auch im Einkommen- und Erbschaftsteuerrecht^[6], etwa im Zusammenhang mit der Begünstigung von Betriebsvermögen, verwandt, allerdings auch hier ohne hinreichende Definition: Im Zusammenhang mit Sonderabschreibungen zur Förderung kleiner und mittlerer Betriebe etwa wurde die Betriebsübernahme in vorweggenommener Erbfolge in § 7 g EStG aF^[7] derjenigen "im Wege der Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft unmittelbar nach dem Erbfall" gleichgesetzt. Im Rahmen von § 13 II a^[8] und § 13 a I Nr. 2 ErbStG aF^[9] wurde die Betriebsvermögensbegünstigung alternativ zum Erbfall zeitweise an den "Erwerb im Wege der vorweggenommenen Erbfolge" geknüpft; später hat der Gesetzgeber den Begriff an dieser Stelle in Anbetracht der engen finanzgerichtlichen Auslegung (gefordert wurde eine "materielle Vergleichbarkeit" mit dem Übergang von Todes wegen, insbesondere ein "endgültiger" Vermögensübergang^[10]) allerdings durch "Schenkung unter Lebenden" ersetzt.^[11]

Wiewohl der Gesetzgeber damit allerorts das Konzept vorweggenommener Erbfolge anerkannt und vereinzelt auch tatbestandliche Akzente gesetzt hat, ergibt sich bis heute kein klar definierter Tatbestand. Die weitere Konturierung hat der Gesetzgeber vielmehr der Praxis und damit nicht zuletzt der Rechtsprechung überlassen.^[12]

[1] Vgl. etwa die Nachweise bei Tanck, Die Auslegung des Begriffs "Im Wege der vorweggenommenen Erbfolge", in: FS-Damrau, 2007, S. 88 in Fn 26, 27.

[2] BGH, Urt. v. 14.3.1968, III ZR 228/65, NJW 1968,2052, 2054; Staudinger/von Jeinsen, Neuberarb. 2005, § 593a, Rn 7; Tanck, aaO (Fn 1), S. 91.

[3] Vgl. § 593a S. 1 BGB, eingefügt durch G. v. 14.11.1985, BGBl. I 1985, 2065; vgl. hierzu auch Mayer, DNotZ, 1996, 604, 608f.; alternativ findet sich insbesondere im Güterrecht die Formulierung eines Vermögenserwerbs "mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht", vgl. etwa §§ 1374 II, 1477 II, 1478 II Nr. 2 BGB, vgl. zum Verhältnis BGH, Urt. v. 30.1.1991, IV ZR 299/89, NJW 1991, 1345; MüKo/Koch, 5. Aufl. 2010, § 1374, Rn 20; Waldner, Vorweggenommene Erbfolge für die notarielle und anwaltliche Praxis, 2004, Rn 2.

[4] BT-Drucks. 10/509 v. 21.10.1983 und 10/3830 v. 16.9.1985.

[5] Von Hoyenberg, Vorweggenommene Erbfolge, 2010, S. 1 Rn 1 in Fn 1.

[6] Auf steuerliche Implikationen des Begriffs kann hier nicht eingegangen werden, vgl. hierzu nur von Hoyenberg aaO (Fn 5), S. 41 ff. Rn 1 ff.

[7] In den vom 29.4.1997 bis 17.8.2007 geltenden Fassungen.

[8] In den vom 18.9.1993 bis 27.12.1996 geltenden Fassungen.

[9] In den vom 28.12.1996 bis 22.12.2001 geltenden Fassungen.

[10] Grundlegend BFH, Urt. v. 25.1.2001, II R 52/98, NJW 2001, 1967, hierzu Nichtanwendungserlass v. 15.5.2001, BStBl I 2001, 350.

[11] StÄndG 2001, BGBl. I 2001, 3794; vgl. auch BT-Drucks. 14/6877 v. 7.9.2001, S. 59 f; BT-Drucks 14/7341 v. 8.11.2001, S. 22; Levedag, GmbHR 2010, 855.

[12] Das preuß. ALR kann zur Konkretisierung übrigens nicht herangezogen werden, da es "in der Frage der Möglichkeit der Regelung von vermögensrechtlichen Verhältnissen für den Todesfall durch Rechtsgeschäfte unter Lebendengrundsätzlich einen von dem des Bürgerlichen Gesetzbuches abweichenden Standpunkt vertreten zu haben scheint", so BGH, Beschl. v. 12.11.1952, IV ZB 93/52, BGHZ 8, 23, 33 mwN.