Fall 8: Inhaltsirrtum, Beginn der Ausschlagungsfrist – OLG Schleswig ZEV 2016, 82; Nennung von Anfechtungsgrund Erbe A hatte einen Erbschein beantragt, um Zugang zu Konten und Wohnung der Erblasserin zu erhalten. Später erlangte A Kenntnis von Nachlassverbindlichkeiten, die zu einer Überschuldung des Nachlasses führten. Inzwischen war die Ausschlagungsfrist abgelaufen. A focht die Annahme der Erbschaft an. Zunächst beruft sich A dabei auf die Überschuldung des Nachlasses, später darauf, dass er geglaubt habe, die Frist zur Ausschlagung laufe erst mit Erhalt des Erbscheins.
Fraglich ist, ob in der Anfechtungserklärung ein Anfechtungsgrund genannt sein muss. Nach einer Meinung muss der Grund zumindest in groben Zügen als Lebenssachverhalt in der Erklärung enthalten sein. Hierfür spricht, dass auch das NG das Vorliegen eines Anfechtungsgrunds prüfen kann. Der Amtsermittlungsgrundsatz (§ 26 FamFG) geht nicht soweit, dass das NG selbständig Tatsachen zu erforschen hat, die der Anfechtende selbst nicht einmal behauptet hat.
Nach anderer Ansicht muss lediglich der Anfechtungswillen nicht aber ein Grund, kundgetan werden. Dem folgt das OLG Schleswig: Die Anfechtungserklärung setze nicht die Nennung eines konkreten Grunds voraus. Das Nachlassgericht habe die Anfechtung auch auf der Grundlage eines späteren Sachvortrags zu prüfen. Die Bindung an die Anfechtungsfrist gelte für den späteren Vortrag nicht.
Eine Anfechtung der Annahme der Erbschaft nach § 119 Abs. 2 BGB setzt voraus, dass der Erbe konkrete Vorstellungen über den Nachlass hat. Daran fehlt es hier. In Betracht kommt aber ein Irrtum über den Beginn der Ausschlagungsfrist. Dieser ist nicht nur ein unbeachtlicher Rechtsfolgenirrtum, sondern ein beachtlicher Inhaltsirrtum. A hat bei Annahme der Erbschaft geglaubt, diese auch noch später ausschlagen zu können. Eine der späteren Ausschlagung entgegenstehende Annahme habe A nicht erklären wollen.
Diese Entscheidung zeigt die Schwierigkeiten bei der Grenzziehung zwischen einem unbeachtlichen Rechtsfolgenirrtum und einem beachtlichen Inhaltsirrtum auf.
Fall 9: BGH ZEV 2016, 31 – Nachschieben von Anfechtungsgründen Erblasser E hinterließ ein minderjähriges Enkelkind K aus der Ehe seines vorverstorbenen Sohnes mit dessen Ehefrau F. In seinem Testament setzte er K und für den Fall der Ausschlagung F als Erbin ein. Mit notarieller Erklärung schlug F die Erbschaft für K aus. Eine familiengerichtliche Genehmigung wurde nicht eingeholt. Nach seinem 18. Geburtstag (28.9.2013) erklärte K in notarieller Urkunde vom 1.10.2013 die Genehmigung der Ausschlagung. Diese Erklärung wurde versehentlich dem NG nicht zugleitet. Erst am 16.1.2014 erklärte K gegenüber dem NG die Anfechtung der Versäumung der Ausschlagungsfrist, wobei K angab, ihm sei nicht bekannt gewesen, dass die Erklärung bei NG einzureichen wäre. Später ergänzte K seinen Vortrag dahin, er habe angenommen, der beglaubigende Notar werde die Erklärung an das NG weiterreichen.
Die ursprüngliche Ausschlagung durch F für den noch minderjährigen K war unwirksam. Diese bedurfte der Genehmigung des Familiengerichts, §§ 1643 Abs. 2, 1822 Nr. 2 BGB. Solange eine rechtzeitig beantragte Genehmigung durch das Familiengericht (oder Betreuungsgericht) nicht erteilt ist, greift eine Ablaufhemmung ein, §§ 1944 Abs. 2 S. 3, 206 BGB. Höhere Gewalt im Sinne der Vorschrift liegt vor, wenn die Verhinderung auf Ereignissen beruht, die durch äußerste, billigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhindert werden konnten. Dies ist bei einer ausstehenden beantragten Genehmigung der Fall. Nach Eintritt der Volljährigkeit konnte K die Genehmigung zwar selbst erteilen, §§ 1829 Abs. 3, 1643 Abs. 3 BGB. Dies hätte aber gegenüber dem NG erfolgen müssen. Dabei lief die 6-Wochenfrist zur Ausschlagung ab dem 28.9.2013 (Beseitigung des Hindernisses mit Volljährigkeit) und war Mitte November abgelaufen, §§ 1944 Abs. 2 S. 3, 206 BGB.
Zu prüfen ist daher, ob die Versäumung der Ausschlagungsfrist angefochten werden konnte. Dabei lässt der BGH es (zunächst) offen, ob in der Anfechtungserklärung ein Grund anzugeben ist. K hatte seine Anfechtung (zunächst) auf den Grund gestützt, sich darüber in einem Irrtum befunden zu haben, dass diese Erklärung gegenüber dem NG abzugeben wäre. Der BGH war bei der rechtlichen Bewertung an die Feststellung des Beschwerdegerichts gebunden, wonach eine solche Fehlvorstellung in Wahrheit nicht vorgelegen habe. Später begründete K seine Anfechtung damit, dass er davon ausgegangen wäre, der beglaubigende Notar würde die Erklärung weiterleiten. Ob dieser Irrtum (vorgelegen hat und) zu einer Anfechtung berechtigen würde, ließ der BGH ebenfalls offen: Da insoweit ein neuer Lebenssachverhalt vorlag, wäre dieser nur zu berücksichtigen, wenn K ihn innerhalb der Anfechtungsfrist vorgebracht hätte. Das NG habe "im Rahmen der Amtsermittlungspflicht gem. § 26 FamFG nicht von sich aus zu erforschen, ob zur Anfechtung berechtigende Tatsachen vorliegen, die der Anfechtende sel...