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Wenn ein testierfähiger Betreuter seinen Betreuer zum Erben einsetzt, dann stößt das bei manchen Leuten auf Kritik; man spricht von Erbschleicherei. Eine spezielle Regelung kommt ab 2023; sie ist bedenklich.
I. Relevanz des Themas
Mir ist keine Statistik darüber bekannt, in wieviel Fällen Betreuer von ihrem Betreuten testamentarisch zum Erben eingesetzt werden. Ich selbst kenne aus 30 Jahren nur zwei Fälle, in denen Menschen ohne Angehörige testamentarisch ihren Berufsbetreuer zu ½ und Wohltätigkeits-/Tierschutzvereine zu ½’als Erben einsetzten.
II. Rechtslage bis 31.12.2022
Der Betreute kann seinen jetzigen oder früheren Berufs- oder ehrenamtlichen Betreuer zum Erben (oder Vermächtnisnehmer, oder Testamentsvollstrecker) einsetzen; das Verbot des § 14 HeimG (mit § 134 BGB) ist nicht analog anwendbar; denn dadurch würde die Testierfreiheit (Art. 14 Abs. 1 GG) beeinträchtigt.
Allerdings sind Betreute häufig nicht mehr testierfähig.
War der Erblasser noch testierfähig, stellt sich u.U. die Frage der Sittenwidrigkeit. Es gibt keine allgemeine Wertung des Inhalts, dass Testamente von Betreuten zugunsten von Betreuern sittenwidrig sind. Im Einzelfall kann aber ein Testament, in dem der Betreuer oder dessen Angehörige erbrechtlich vom Betreuten begünstigt werden, wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB nichtig sein; das gilt genauso bei anderen bedachten Personen. Das BVerfG hat entschieden: "Die Testierfreiheit umfasst auch die Freiheit, die Vermögensnachfolge nicht an den allgemeinen gesellschaftlichen Überzeugungen oder den Anschauungen der Mehrheit ausrichten zu müssen."
Als sittenwidrig im Sinne des § 138 BGB ist ein Rechtsgeschäft zu beurteilen, wenn es nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht zu vereinbaren ist. Eine Einzelfallbetrachtung ist erforderlich. Beispiele aus der Rechtsprechung: Ein solches notarielles Testament ist sittenwidrig, wenn der Betreuer seinen Einfluss auf den Betreuten dazu benutzt hat, dass dieser ohne reifliche Überlegung über erhebliches Vermögen zugunsten des Betreuers verfügt hat. Ein Testament zugunsten einer Berufsbetreuerin kann sittenwidrig sein, wenn die Betreuerin ihre Stellung und ihren Einfluss auf einen älteren und alleinstehenden Erblasser dazu benutzt, gezielt auf den leicht beeinflussbaren Erblasser einzuwirken und ihn dazu zu bewegen, vor einer von ihr herangezogenen Notarin in ihrem Sinne letztwillig zu verfügen. Veranlasst ein Betreuer einen Testierunfähigen, durch eine letztwillige Verfügung sich selbst als Begünstigten einzusetzen, kann hierin eine Untreue bzw. eine Teilnahme hieran liegen.
III. Ab 1.1.2023: Neuregelung für Berufsbetreuer
§ 30 BtOG (Betreuungsorganisationsgesetz) – Leistungen an berufliche Betreuer
"1) Einem beruflichen Betreuer ist es untersagt, von dem von ihm Betreuten Geld oder geldwerte Leistungen anzunehmen. Dies gilt auch für Zuwendungen im Rahmen einer Verfügung von Todes wegen. Die gesetzliche Betreuervergütung bleibt hiervon unberührt."
(2) Absatz 1 Satz 1 und 2 gilt nicht, wenn
1. andere als die mit der Betreuervergütung abgegoltenen Leistungen vergütet werden, insbesondere durch die Zahlung von Aufwendungsersatz nach § 1877 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, oder
2. geringwertige Aufmerksamkeiten versprochen oder gewährt werden.
(3) Das Betreuungsgericht kann auf Antrag des Betreuers im Einzelfall Ausnahmen von dem Verbot des Absatzes 1 Satz 1 und 2 zulassen, soweit der Schutz des Betreuten dem nicht entgegensteht. Entscheidungen nach Satz 1 sind der für den beruflichen Betreuer zuständigen Stammbehörde mitzuteilen.“
1. Inhalt von § 30 Abs. 1 S. 2 BtOG
a) Zweck
Der Gesetzgeber wollte "zur Vermeidung von Missbrauch des übertragenen Amtes oder auch nur dessen Anschein eine gesetzliche Vorschrift zur sogenannten Compliance" schaffen. Das entspricht dem Zeitgeist. Diese erbrechtliche Regelung wurde ins BtOG gestellt,...