1. Problemstellung
§ 15 Abs. 1 S. 2 S. 1 ErbStG gilt im Übrigen nur für im Inland errichtete Stiftungen. Es stellt sich daher die Frage, wie die Beschränkung des § 15 Abs. 2 S. 1 ErbStG auf inländische Stiftungen mit der unionsrechtlichen Kapitalverkehrs- bzw. Niederlassungsfreiheit vereinbar ist. Die Niederlassungsfreiheit ist insoweit allerdings nur berührt, wenn der Stifter mit der Errichtung der Stiftung selbst von seiner eigenen Niederlassungsfreiheit Gebrauch gemacht hat. Bei einer Schenkung oder einem Erwerb von Todes wegen handelt es sich jedenfalls um einen für den Kapitalverkehr relevanten Vorgang, sofern der jeweilige Erwerb mit den wesentlichen Elementen über die Grenzen des Mitgliedsstaats hinaus reicht. Die unterschiedliche Behandlung inländischer und ausländischer Stiftungen i.S.d. § 15 Abs. 2 S. 1 ErbStG führt auch zu einer Ungleichbehandlung. Die deutsche Rechtsprechung lehnt allerdings einen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit bislang ab, da inländische Stiftungen anders als ausländische der Erbersatzsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG unterliegen und daher im Rahmen des § 15 Abs. 2 S. 1 ErbStG privilegiert werden sollen. Die Ungleichbehandlung ist daher notwendig, um die Kohärenz des Steuersystems zu gewährleisten, und daher zulässig.
Fraglich ist, ob der EuGH dem folgen würde. Die Ersatzerbschaftsteuer und die Besteuerung nach § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG knüpfen an unterschiedliche Vorgänge an. Insoweit wird argumentiert, die Benachteiligung inländischer Stiftungen durch § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG und die Privilegierung durch § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbstG stünden nicht in einem kohärenten Zusammenhang, da die Besteuerung jeweils unterschiedliche Personen trifft (im ersten Fall die des inländischen Stifters, im zweiten Fall die Stiftung). Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass die Nachteile aus der Nichtprivilegierung der Ausstattung ausländischer Stiftungen in jedem Fall auftreten, die gegenläufigen Nachteile der inländischen Stiftung aus der Ersatzerbschaftsteuer aber erst nach 30 Jahren, sofern die Stiftung dann noch besteht. In der bisherigen Rechtsprechung des EuGH wurde dem Rechtfertigungsgrund der Kohärenz im Bereich des Steuerrechts im Übrigen nur eine geringe Bedeutung zugemessen. Zwingende Gründe des Allgemeininteresses zur weiteren Rechtfertigung sind ebenfalls nicht ersichtlich. In Anbetracht dieses Meinungsstands hat das FG Köln mit Beschl. v. 30.11.2023 dem EuGH diese Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2. Der Vorlagebeschluss des FG Köln
Im konkreten Fall ging es um eine liechtensteinische Stiftung, die von einem in Deutschland ansässigen Ehepaar errichtet worden war. Im Hinblick auf zwingende Gründe des Allgemeininteresses, die eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit rechtfertigen könnten, verweist das FG zunächst auf die Notwendigkeit, die Kohärenz des Steuersystems zu gewährleisten. Insoweit müsse ein unmittelbar steuerlicher Zusammenhang zwischen dem betreffenden steuerlichen Vorteil und dessen Ausgleich durch eine bestimmte steuerliche Belastung bestehen, wobei die Unmittelbarkeit dieses Zusammenhangs im Hinblick auf das mit der Regelung verfolgte Ziel beurteilt werden müsse. Die Ausgestaltung der betreffenden Regelung müsse einer spiegelbildlichen Logik folgen der Art, dass ein direkter persönlicher und sachlicher Zusammenhang zwischen den beiden streitigen steuerlichen Regelungen bestehe und diese sich als logisches Pendant gegenüber stünden. Weiterhin müsse die nationale Regelung geeignet sein, die Erreichung des verfolgten Ziels zu gewährleisten, und dürfe nicht über das hierfür Erforderliche hinausgehen.
Beide relevanten Regelungen seien in ihrer aktuellen Fassung zeitgleich durch das Erbschaftsteuerreformgesetz 1974 eingeführ...