Es werden auch, was Vermächtnisse angeht, vergleichsweise Übereinkünfte getroffen. Der Erbe mag mit dem Vermächtnisnehmer streiten, welchen Umfang das Vermächtnis hat, nachdem der Erblasser nach Abfassung der Verfügung von Todes wegen das zugedachte Grundstück selbst teilweise bebaut hat, es mag Unklarheiten geben, ob Max oder Moritz der Bedachte ist, wenn der Erblasser dem Antialkoholiker Moritz seinen kostbaren Weinkeller vermacht hat, während er zu Lebzeiten Max’ feine Zunge schätzte.
Nicht selten herrscht Streit darüber, ob derjenige, dem wesentliche Teile des Vermögens – insbesondere Grundstücke – zugedacht sind, Erbe oder nur Vermächtnisnehmer ist, obgleich der nicht weiter spezifizierte Restnachlass nach Abzug der ungesicherten Verbindlichkeiten mehr als bescheiden ist.
Der Anspruch aus einem Vermächtnis kann formlos nach § 398 BGB übertragen und formlos nach § 397 BGB erlassen werden. Also kann man sich auch formlos über einen solchen Anspruch vergleichen.
Ändert der Umstand etwas daran, wenn die Verpflichtung zur Übertragung eines Vermächtnis-Gegenstandes nur unter Beachtung einer Form begründet werden kann? Oder wenn die Übertragung selbst formbedürftig ist? Beispiel ist natürlich das Grundstück, bei dem die Verpflichtung zur Übertragung nach § 311 b Abs. 1 BGB der Form der notariellen Beurkundung bedarf; ebenso bedarf die Übertragung selbst nach § 925 BGB der notariellen Beurkundung.
Wenn man an dieser Stelle einmal pauschal von Forderungen absieht, die in Wertpapieren verbrieft sind, so kann der Anspruch auf ein Grundstück nach materiellem Recht formlos abgetreten und ebenso erlassen werden. Durch den Auslegungsvertrag nehmen die Parteien also für den Fall, dass ihre Auslegung nicht der objektiv richtigen Auslegung entspricht, eine eventuelle Abtretung oder einen eventuellen Erlass vor. Daher erscheinen auch Vermächtnisse dann aufgrund eines formlosen Auslegungsvertrags einer vergleichsweisen Regelung zugänglich, wenn unter Lebenden die Begründung der Verpflichtung formbedürftig ist.
Diese Auffassung scheint zumindest dem Leitsatz einer Entscheidung des BGH zu widersprechen. Der Leitsatz 2 der Entscheidung des BGH lautet: "Nach dem Erbfall können sich die Beteiligten durch einen notariell beurkundeten Vertrag verbindlich darauf festlegen, wie die Verfügung von Todes wegen auszulegen ist ("Auslegungsvertrag")."
Nimmt man diesen Leitsatz wörtlich, dann muss auch ein Auslegungsvertrag, der nur ein Vermächtnis betrifft, notariell beurkundet werden.
Um ein Vermächtnis ging es aber in jener Entscheidung gar nicht; dort ging es um das Erbrecht. Nicht einmal in einem obiter dictum ist der BGH auf andere Auslegungsfragen als die um das Erbrecht eingegangen. Auch das RG hat in einer Entscheidung von 1909 nur den Vergleich von Erbprätendenten behandelt und einen solchen Vertrag dem § 2385 BGB unterstellt; zum Streit über ein Vermächtnis hat es nichts gesagt. Schließlich ergibt auch die weitere vom BGH zitierte Entscheidung des RG aus dem Jahre 1943 nichts anderes; dort ging es um die Frage, ob eine Vereinbarung eine Vorerbenstellung betroffen hat. Das Ergebnis kann also nur sein: Der fragliche Leitsatz ist (versehentlich) zu weit gefasst worden.
In einem Mediationsvergleich ist ein Auslegungsvertrag, der ausschließlich Vermächtnisse betrifft, formfrei möglich; Verpflichtungen zur Abgabe von Willenserklärungen darf er freilich nicht enthalten; nötigenfalls müssen Ansprüche im Vergleich (vorsorglich) übertragen werden. Der Umstand, dass der Inhalt des Vermächtnisses ein Grundstück oder ein Geschäftsanteil einer GmbH ist, bewirkt nicht, dass die Abtretung formbedürftig ist, z. B. nach § 311 b BGB.
Aber dort, wo es nicht nur um die Auslegung eines Vermächtnisses geht, sondern wo es nicht abwegig ist, anzunehmen, dass es sich um ein Erbrecht handelt, das eventuell durch die vereinbarte Auslegung übertragen wird, weil sich die Parteien so stellen wollen, als wäre jemand Erbe, dort muss die notarielle Beurkundungsform der §§ 2033, 2385, 2371 BGB gewahrt werden. Es wurde bereits oben aufgezeigt , dass ein anwaltlicher Mediationsvergleich wegen der Formbedürftigkeit hier insoweit nicht möglich ist. Es muss zum Zwecke des Vergleichsschlusses ad hoc eine Schiedsverfahren eröffnet werden, in dem der Vergleich als "Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut" geschlossen wird (s. o. Teil I Exkurs nach 2 e).