Leitsatz
Nicht zum Schonvermögen gehört, was ein Betroffener, der Begünstigter eines sog. Behindertentestaments ist, im Zuge einer Erbteilsübertragung erlangt. Auf die Frage, ob die Übertragung vom Amtsgericht genehmigt wurde, kommt es nicht an.
LG Kassel Beschluss vom 17. Oktober 2013 – 3 T 342/13
Sachverhalt
Die Betroffene leidet unter Gehörlosigkeit, einer Borderline-Störung und ist nicht in der Lage, ihre rechtlichen Angelegenheiten alleine zu besorgen. Das Amtsgericht richtete deshalb durch Beschluss vom 3.11.2008 eine Betreuung ein und bestellte den eingangs genannten berufsmäßig tätigen Betreuer. Mit weiterem Beschluss vom 13.5.2009 wurde zudem ein Einwilligungsvorbehalt für den Aufgabenkreis der Vermögenssorge angeordnet.
Die Betroffene verfügte nur über geringes Einkommen und Vermögen, weshalb die dem Berufsbetreuer zustehende Vergütung stets aus der Staatskasse gezahlt wurde.
Am 8.11.2011 verstarb der Vater der Betroffenen. Aufgrund testamentarisch bestimmter Erbfolge wurde dieser zu 72 % von der Mutter der Betroffenen sowie zu 28 % von der Betroffenen selbst beerbt, wobei die Betroffene im Wege eines sog. Behindertentestaments als nicht befreite Vorerbin eingesetzt wurde. Zum Nacherben wurde die Mutter der Betroffenen, ersatzweise die "..." bestimmt. Der Nacherbfall tritt mit dem Tode der Betroffenen ein. Zudem wurde die Dauertestamentsvollstreckung hinsichtlich des Erbteils der Betroffenen angeordnet und ihre Mutter zur Testamentsvollstreckerin bestellt. Die Testamentsvollstreckerin erhielt sodann die Anordnung iSv § 2216 Abs. 2 BGB, dass die Betroffene aus den jeweils ihr gebührenden anteiligen jährlichen Reinerträgen (Nutzungen) des Nachlasses nach billigem Ermessen Geld- oder Sachleistungen erhalten solle, die zu einer Verbesserung ihrer Lebensqualität beitragen (...)
Der Nachlass bestand aus Sparvermögen in Höhe von ca. 6.700,00 EUR, dem hälftigen Miteigentumsanteil an dem von der Mutter der Betroffenen als weitere Miteigentümerin zu 1/2 bewohnten Einfamilienhaus im Wert von 69.300,00 EUR. Die Nachlassverbindlichkeiten betrugen ca. 9.000,00 EUR.
Sowohl der zuständige Sozialleistungserbringer, der LWV Hessen, als auch die Vertreterin der Staatskasse des Landes Hessen im vorliegenden Betreuungsverfahren akzeptierten diese Vermögenszuwendung als geschütztes Vermögen und sprachen sich gegen einen Rückgriff für verauslagte Sozialleistungen aus.
Mit notariellem Vertrag vom 21.6.2012 übertrug die Betroffene, vertreten durch ihren Betreuer, ihren Anteil an der ungeteilten Erbengemeinschaft mit dinglicher Wirkung an ihre Mutter, die weitere Miterbin. Als Gegenleistung wurde eine Zahlung in Höhe von 21.287,90 EUR, dem rechnerischen Wert des Anteils der Betroffenen am gesamten Nachlass des Vaters, vereinbart. Gleichzeitig wurde die Bewilligung zur Berichtigung des Grundbuchs auf eine alleinige Eigentümerstellung der Mutter der Betroffenen erteilt.
(...) Mit Schreiben vom 15.2.2013 (Bl 240 I dA) hat das Amtsgericht die Wiedereinziehung der seit dem Jahr 2009 verauslagten Betreuervergütungen sowie von 409,66 EUR Gutachterkosten angekündigt, insgesamt 8.923,66 EUR. Diesem Begehren hat sich die Bezirksrevisorin sodann in ihrer Stellungnahme vom 19.2.2013 (Bl 241 I dA) angeschlossen. Der Betreuer sowie die auch für das Wiedereinziehungsverfahren zur Verfahrenspflegerin bestellte Beschwerdeführerin haben sich jedoch auf Verjährung berufen und im Übrigen hinsichtlich der unverjährten Ansprüche die Auffassung vertreten, der zunächst dem Erbteil der Betroffenen aufgrund der erbrechtlichen Konstruktion im Wege eines sog. Behindertentestaments zukommende Schutz vor dem Zugriff von Sozialleistungserbringern müsse sich auch an dem durch Übertragung des Erbteils erlangten Geldbetrag fortsetzen.
Aus den Gründen
Die gemäß §§ 292 I, 168, 58 I FamFG statthafte Beschwerde gegen die Anordnung des Regresses wahrt Form und Frist der §§ 63, 64 FamFG und ist auch im Übrigen zulässig; insbesondere ist der Beschwerdewert von 600,01 Euro gemäß § 61 I FamFG erreicht und die Beschwerdeführerin ist gemäß § 303 III FamFG zur Einlegung der Beschwerde berechtigt. In der Sache konnte das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg haben. Das Amtsgericht hat die an den Betreuer aus der Staatskasse gezahlte Vergütung – auch der Höhe nach – zu Recht von der Betroffenen zurückgefordert.
(1) Hat das Betreuungsgericht wie hier festgestellt, dass der berufene Betreuer nach Maßgabe der §§ 1908 i I, 1836 I BGB, 1 I VBVG berufsmäßig tätig wird, hat es ihm auf Antrag eine Vergütung zu bewilligen, § 1 II 1 VBVG iVm §§ 292 I, 168 FamFG. Die Vergütung kann nach dem Ende der Führung der Betreuung oder bei laufender Betreuung nach dem Ablauf von jeweils drei Monaten für diesen Zeitraum geltend gemacht werden(§ 9 S. 1 VBVG). Der Anspruch erlischt, wenn er nicht binnen 15 Monaten nach seiner Entstehung beim Betreuungsgericht geltend gemacht wird (§ 2 VBVG).
(2) Nach Befriedigung dieser Forderungen durch die Staatskasse ist der Anspruch gegen die Betroffene auf die Staatskasse übergegangen (§ 1836e Abs. 1 BGB)...