Leitsatz
Im Rahmen der Prüfung der sittlichen Rechtfertigung einer Volljährigenadoption hat das zuständige Gericht eine umfassende Würdigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen, wobei es insgesamt darauf ankommt, dass die Adoption auf die Herstellung eines Eltern-Kind-Verhältnisses gerichtet ist, welches einem originären familiären Abstammungsverhältnis gleicht. Der Antrag ist bereits dann abzulehnen, wenn nach den Umständen des Einzelfalls begründete Zweifel bestehen, die gegen eine sittliche Rechtfertigung des Antrags sprechen.
Hat der Anzunehmende zu wenigstens einem leiblichen Elternteil eine funktionierende Eltern-Kind-Beziehung und spricht auch der Altersunterschied zwischen Annehmenden und Anzunehmenden gegen eine natürliche Generationenfolge, so ist der Antrag regelmäßig abzulehnen, es sei denn, der Annehmende ist der Lebensgefährte des leiblichen Elternteils.
OLG Bremen, Beschluss vom 9. November 2016 – 4 UF 108/16
Sachverhalt
Die Beteiligten beantragen, dass die Annahme der volljährigen 27-jährigen Beteiligten zu 1) als Kind des 88-jährigen Beteiligten zu 2) gemäß den §§ 1767, 1770 BGB vom Gericht ausgesprochen wird.
Zur Begründung führen die Beteiligten aus, dass zwischen ihnen eine starke innere Verbundenheit entstanden sei. Sie würden sich seit 7 Jahren kennen. Auch wenn sie nicht in einem Haushalt lebten, sei eine enge und familiäre, einem Eltern-Kind-Verhältnis entsprechende Verbundenheit zwischen ihnen entstanden. Sie sähen sich mehrfach in der Woche, nahezu täglich. Sie würden Freizeit und Festtage miteinander verbringen und sich gegenseitig unterstützen. Dabei gehe es nicht darum, seitens des Annehmenden künftig pflegerische Hilfe der Anzunehmenden in Anspruch zu nehmen. Der Annehmende habe außerdem ein enges Verhältnis zu Verwandten der Anzunehmenden, insbesondere zu deren Mutter. Da der Vater der Anzunehmenden früh verstorben sei und auch die Ehefrau und der Sohn des Annehmenden nicht mehr lebten, sei zwischen ihnen eine Beziehung entstanden, wie es sich der Annehmende zwischen Vater und Tochter, nicht zwischen Großvater und Enkelin vorstelle. Der große Altersunterschied spiele dabei keine Rolle.
Das Amtsgericht Bremen hat den Antrag der Beteiligten durch Beschluss vom 13.7.2016 zurückgewiesen. Auf die tatsächlichen Feststellungen dieses Beschlusses wird ergänzend Bezug genommen. Die Beschwerde der Beteiligten richtet sich gegen die Zurückweisung ihres Antrags.
Aus den Gründen
Die statthafte (§ 58 FamFG), form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Beteiligten ist zulässig. Sie ist jedoch unbegründet.
Das Amtsgericht ist zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass die Voraussetzungen für die begehrte Volljährigenadoption gemäß § 1767 BGB nicht vorliegen.
Auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses wird Bezug genommen.
Ergänzend ist folgendes auszuführen: Gemäß § 1767 Abs. 1 Satz 1 HS 1 BGB kann ein Volljähriger dann als Kind angenommen werden, wenn die Annahme sittlich gerechtfertigt ist. § 1767 Abs. 1 HS 2 BGB bestimmt, dass die sittliche Rechtfertigung der Annahme eines Volljährigen als Kind insbesondere dann anzunehmen ist, wenn zwischen dem Annehmenden und dem Anzunehmenden ein Eltern-Kind-Verhältnis bereits entstanden ist. Anderenfalls muss gemäß § 1767 Abs. 2 S. 1 iVm § 1741 Abs. 1 S. 1 BGB bei objektiver Betrachtung der bestehenden Bindungen und ihrer Entwicklungsmöglichkeiten das Entstehen einer Eltern-Kind-Beziehung für die Zukunft zu erwarten sein.
Das Eltern-Kind-Verhältnis unter Erwachsenen wird wesentlich durch eine auf Dauer angelegte Bereitschaft zu gegenseitigem Beistand geprägt, denn für die sittliche Berechtigung der Adoption kommt es stets vorwiegend auf die Herstellung eines echten Eltern-Kind-Verhältnisses, eines sozialen Familienbandes an, das seinem ganzen Inhalt nach dem durch die natürliche Abstammung geschaffenen Band ähnelt (OLG Stuttgart FamRZ 2015, 592; OLG Nürnberg FamRZ 2015, 517, jeweils mwN). Ob zwischen den Beteiligten ein Eltern-Kind-Verhältnis in diesem Sinne besteht oder das Entstehen eines solchen Verhältnisses zu erwarten ist und ob die Adoption sittlich gerechtfertigt ist, muss zur Überzeugung des Gerichts feststehen; dies ist Gegenstand der Amtsermittlung (§ 26 FamFG) (OLG Stuttgart aaO; OLG Nürnberg aaO). Wenn nach Abwägung aller in Betracht kommendenUmstände begründete Zweifel verbleiben, muss der Antrag abgelehnt werden (OLG Stuttgart aaO 592 f; OLG Nürnberg aaO; Palandt/Götz, BGB, 75. Aufl. § 1767 BGB Rn 5, jeweils mwN).
Unter Würdigung der von den Antragstellern anlässlich ihrer Anhörung vor dem Familiengericht gemachten Angaben und unter Berücksichtigung des weiteren Vorbringens der Beteiligten im Beschwerdeverfahren bestehen zwar keine Zweifel, dass zwischen dem Annehmenden und der Anzunehmenden ein gutes persönliches Verhältnis mit häufigen persönlichen Kontakten besteht. Dies reicht aber, wie auch das Amtsgericht in dem angefochtenen Beschluss zutreffend festgestellt hat, nicht aus, um eine familiäre Bindung in Form eines Vater-Tochter-Verhältnisses festzustel...