Leitsatz
Das Recht zur Einsicht in das Grundbuch bedarf der Darlegung eines berechtigten Interesses des Antragstellers. Dieses ist gegeben, wenn der Antragsteller ein für das Grundbuchamt verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse an der Einsicht darlegt. Ein solches berechtigtes Interesse kann in einer pauschalen Bezugnahme auf das Versterben eines Elternteils vor mehreren Jahrzehnten ohne weitere Angaben nicht gesehen werden.
OLG München, Beschluss vom 10. Oktober 2018 – 34 Wx 293/18
Sachverhalt
Die Mutter des Beteiligten wurde im Jahr 1973 aufgrund eines notariellen Überlassungsvertrags als Alleineigentümerin von Grundbesitz im Grundbuch eingetragen. Sie verstarb am 17.5.1990 und wurde gemäß notariellem Erbvertrag vom 24.3.1976 vom Vater des Beteiligten alleine beerbt.
Mit Anwaltschreiben vom 20.6.2018 beantragte der Beteiligte beim Grundbuchamt, ihm einen beglaubigten Grundbuchauszug zu erteilen. Zur Begründung gab er an, er habe im Hinblick auf sein zukünftiges Erb- oder Pflichtteilsrecht ein Interesse daran, zu erfahren, ob sein inzwischen in zweiter Ehe verheirateter Vater noch Alleineigentümer des Anwesens sei oder den Grundbesitz ganz oder teilweise rechtsgeschäftlich auf die zweite Ehefrau übertragen habe. Dem Beteiligten sei lediglich der Inhalt des Erbvertrags bekannt. Außerdem habe er erfahren, dass die Mutter im Jahr 1976 eine weitere notarielle Regelung getroffen habe, deren Inhalt er aber nicht kenne. Weiter bat er darum, den bzw. die Eigentümer(in) um des Familienfriedens willen nicht über das Auskunftsverlangen zu informieren.
Gegen die Mitteilung der Urkundsbeamtin vom 25.6.2018, dass nach § 12 GBO Auskunft aus dem Grundbuch nur bei berechtigtem Interesse zulässig sei, ein solches allerdings nicht aus einem lediglich zukünftigen Erbrecht resultiere, wandte sich der Beteiligte mit dem Hinweis, er sei Pflichtteilsberechtigter nach seiner Mutter.
Mit Beschluss vom 11.7.2018 hat das Grundbuchamt die Grundbucheinsicht durch Erteilung eines Grundbuchausdrucks abgelehnt. Künftige Pflichtteilsansprüche würden ein berechtigtes Interesse an der Grundbucheinsicht nicht begründen. Auf Pflichtteilsansprüche nach seiner Mutter könne sich der Beteiligte wegen Verjährung nicht berufen.
Mit der hiergegen eingelegten Beschwerde verfolgt der Beteiligte seinen Antrag auf Übersendung eines Grundbuchauszugs weiter. In bestimmten Fällen gelte eine 30jährige Verjährungsfrist. Es gebe deshalb noch eine Chance, die nach dem Gesetz unter die 30jährige Verjährung fallenden Ansprüche geltend zu machen, zumal erst kürzlich bekannt geworden sei, dass die Mutter nach dem Jahr 1976 weitere Verfügungen getroffen habe. Nach Zeugenangaben habe die Mutter jedenfalls notariell verfügt, dass der Vater das Anwesen nicht ohne Zustimmung des Beteiligten verkaufen könne. Diese Eintragung müsse sich als Verkaufsbeschränkung im Grundbuch befinden.
Das Grundbuchamt hat nicht abgeholfen.
Aus den Gründen
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. (...)
2. Das Rechtsmittel ist jedoch unbegründet.
a) Gemäß § 12 Abs. 1 GBO ist jedem die Einsicht in das Grundbuch zu gestatten, der ein berechtigtes Interesse darlegt. Dies bedeutet zugleich eine gesetzliche Beschränkung des Einsichtsrechts in der Weise, dass nur demjenigen Einsicht gewährt werden kann, der ein berechtigtes Interesse darlegt.
aa) Ein "berechtigtes Interesse" an der Einsicht (und zwar auch in Form der Gewährung eines Grundbuchauszugs) ist gegeben, wenn zur Überzeugung des Entscheidungsorgans ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse des Antragstellers dargetan wird (vgl. BGH FGPrax 2014, 48/49; Meikel/Böttcher GBO 11. Aufl. § 12 Rn 6 mit umfangreichen Nachw.). Dieses muss sich im Unterschied zum rechtlichen Interesse zwar nicht auf ein bereits bestehendes Recht am Grundstück oder ein konkretes Rechtsverhältnis zwischen dem Eingetragenen und dem die Einsicht Begehrenden stützen, sondern kann auch mit einem (beispielsweise) wirtschaftlichen Interesse begründet werden (OLG Oldenburg ZEV 2014, 611). Dabei genügt allerdings nicht jedes beliebige Interesse; erforderlich ist vielmehr – soweit nicht die Besonderheiten des presserechtlichen Einsichtsrechts im Raum stehen – ein sachlicher Bezug des Interesses zu der dem Grundbuch zugewiesenen Aufgabe.
Das Grundbuch soll über die das Grundstück betreffenden privaten dinglichen Rechtsverhältnisse zuverlässig Auskunft geben. Die mit der Grundbucheintragung verbundenen materiellrechtlichen Vermutungs- und Gutglaubensschutzwirkungen gemäß den §§ 891, 892, 893 BGB machen es erforderlich, die Einsicht in das Grundbuch in weitgehendem Maße den am Rechtsverkehr Teilnehmenden zu gestatten. In dieser Weise ist das Einsichtsrecht gemäß § 12 GBO mit dem materiellen Publizitätsgrundsatz des Grundbuchs verklammert (BGHZ 80, 126/128; Senat vom 26.7.2018, 34 Wx 239/18 = BeckRS 2018, 16487); die Prüfung, ob das vorgetragene Interesse als berechtigtes Interesse im Sinne des Gesetzes anzuerkennen ist, erfolgt daher nicht losgelöst von diesem Bezug. Vielmehr muss die Kennt...