Leitsatz
Allein aus einer vorgelegten Testamentskopie kann kein Erbrecht abgeleitet werden, sodass die Fotokopie eines Testaments als solche die Anforderungen an ein formgültiges privatschriftliches Testament nicht erfüllt. Der Nachweis, dass der Erblasser ein formgerechtes Testament mit dem aus der Kopie ersichtlichen Inhalt errichtet hat, kann aber auf andere Weise geführt werden (Senat, Beschl. v. 8.10.2015 – 11 Wx 78/14, juris Rn 15).
2. Ein ernstlicher Testierwille kann bei privatschriftlichen Erklärungen nicht ausschließlich aus der Erfüllung aller Formerfordernisse eines eigenhändigen Testaments nach § 2247 BGB abgeleitet werden. Auch bei Einhaltung der Form des § 2247 BGB darf die Urkunde nach dem in ihr verlautbarten oder anderweitig feststellbaren Willen des Erblassers nicht als bloßer Entwurf gefertigt sein oder sonst nur eine vorbereitende oder ähnlich unverbindliche Bedeutung haben.
4. Dafür, ob der Erblasser im Einzelfall ernstlich eine letztwillige Verfügung treffen wollte, kommt es allein auf den tatsächlichen Willen des Erblassers an. Es handelt sich um eine im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet liegende Frage, die im Wege der Auslegung (§ 133 BGB) unter Heranziehung aller erheblichen, auch außerhalb der Urkunde liegenden Umständen und der allgemeinen Lebenserfahrung zu beurteilen ist.
OLG Karlsruhe, Beschl. v. 11.3.2022 – 11 W 104/20 (Wx)
1 Gründe
Der im Juni 2016 verstorbene Erblasser war in erster Ehe mit Frau … verheiratet; die Ehe wurde 1984 rechtskräftig geschieden. Am xx.xx.2011 heiratete der Erblasser seine langjährige Lebensgefährtin, die Beteiligte zu 1. Der Beteiligte zu 3 ist der Sohn des Erblassers und seiner ersten Ehefrau; die Beteiligte zu 2 ist die Tochter des Erblassers und der Beteiligten 1.
Letztwillige Verfügungen im Original liegen nicht vor. Im September 2016 legte der Beteiligte zu 3 dem Nachlassgericht die Kopie eines auf den 5.4.2010 datierten handschriftlichen Testaments vor. Er erklärte, diese gemeinsam mit anderen Unterlagen in einer Plastiktüte in der Werkstatt des Elternhauses des Erblassers gefunden zu haben (…). Dort hätten sich die Unterlagen in einer Schublade eines Schranks befunden.
Die Testamentskopie hatte folgenden Wortlaut:
Zitat
5.4.10
Testament
Das Haus am … vermache ich meiner
Tochter …
… bekommt zur Auflage, dass ihre Mutter
… ein lebenslanges Wohnrecht in diesem
Haus hat.
Die beiden Eigentumswohnungen in …
… Str. u. wählbar je das alte
Haus meiner Eltern oder den zu erwarteten
in Bauerwartungsland stehenden Bauplatz
vermache ich meinem Sohn … aus erster Ehe.
Da die Eigentumswohnungen noch nicht voll-
ständig bezahlt sind Restschuld derzeit ca.
60000 EUR bei der VoBa-Bretten, verpflichte ich
meine Tochter … diese aus dem sonstigen
Erbteil auszugleichen.
Die vorhandenen Grundstücke (Äcker), Versicherungen
u. restliches Barvermögen vermache ich zu
gleichen Teilen meinen beiden Kindern.
Meiner Lebensgefährtin … vermache ich ein
Barvermögen zu Lasten von meinen beiden
Kindern (Erben) in Höhe von 50.000 EUR.
…
Am 29.6.2011 heiratete der Erblasser die Beteiligte zu 1. Mit Vertrag vom xx.xx.2012 schenkte der Erblasser dem Beteiligten zu 3 einen Betrag von 50.000,00 EUR mit der Auflage, damit bis zum 31.12.2013 einen Bauplatz, eine Eigentumswohnung oder ein Wohnhaus zu erwerben, und mit der Bestimmung, dass dieser Betrag auf seinen Erbteil anzurechnen sei.
Auf der Grundlage der vorgelegten Kopie beantragte der Beteiligte zu 3 die Erteilung eines Erbscheins, der ihn und die Beteiligt zu 2 als Erben zu je ½ ausweisen sollte (…). Er gab an, die Testamentskopie ein bis zwei Wochen nach dem Tod des Erblassers in dessen Werkstatt gefunden zu haben.
Die Beteiligte zu 1 geht hingegen von einer Vernichtung des verschwundenen Originals durch den Erblasser aus (…). Denn der Erblasser habe eine letztwillige Verfügung diesen Inhalts noch im April 2010 nach Beratung durch den Notar … verworfen und angekündigt, ein neues Testament zu errichten. Auch eine weitere, in ihrer Anwesenheit im Juni 2010 erfolgte Beratung durch Frau Rechtsanwältin … habe ihn in diesem Entschluss bestärkt. Dem Erblasser sei es maßgeblich um ihre Absicherung gegangen. Er habe sie nur geheiratet, um ihr den Status einer gesetzlichen Erbin zu verschaffen. Sie beantragte die Erteilung eines Erbscheins, der sie und die weiteren Beteiligten als gesetzliche Erben im Verhältnis ½ (Beteiligte zu 1) zu je ¼ (Beteiligte zu 2 und zu 3) ausweisen soll (…).
Mit Beschl. v. 29.12.2017 (…) erachtete das Nachlassgericht unter Zurückweisung des Erbscheinsantrags des Beteiligten zu 3 die zur Erteilung des von der Beteiligten zu 1 beantragten Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 3 hob der Senat den Beschluss des Nachlassgerichts vom 29.12.2017 auf (11 W 75/18 [Wx]) und verwies die Sache zu erneuten Entscheidung an das Nachlassgericht zurück. Das Nachlassgericht habe es verfahrensfehlerhaft unterlassen, Feststellungen zu der Errichtung eines Testaments durch den Erblasser zu treffen. Eine entsprechende Feststel...