Die am 9. März 1989 verstorbene Erblasserin war in erster Ehe mit dem vorverstorbenen F. U. verheiratet. Der gemeinsame Sohn, K. A. U., verstarb 1945 ledig und kinderlos. In zweiter Ehe war die Erblasserin mit dem 1944 verstorbenen F. H. G. verheiratet. Aus dieser Ehe ist der am 6. September 1931 geborene, im Jahr 2011 ledig und kinderlos verstorbene F. G. hervorgegangen. F. G. stand unter Betreuung und war nicht testierfähig; weitere Kinder hatte die Erblasserin nicht.
Die Erblasserin und ihr Ehemann F. H. G. schlossen am 22. Oktober 1940 einen notariellen Erbvertrag (12 IV 159/89, NA 8), in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzten. Als Erben des Überlebenden setzten sie den Sohn der Erblasserin aus erster Ehe, K. U., den gemeinsamen Sohn F. G. und alle etwaigen weiteren gemeinsamen Kindern zu gleichen Teilen ein. Anstelle verstorbener Kinder sollten deren Abkömmlinge treten. Einen ausdrücklichen Änderungsvorbehalt nahmen sie nicht in den Erbvertrag auf.
Am 26. Juli 1988 errichtete die Erblasserin ein notarielles Testament (12 IV 159/89, NA 18), in dem sie ihren Sohn F. G. als ihren nicht befreiten Vorerben einsetzte. Nacherben nach dem Tod ihres Sohnes sollten hiernach ihr Neffe (verstorben 1999) und dessen Ehefrau, die Beteiligte, werden, für den Fall des Vorversterbens eines der Nacherben im Zeitpunkt des Eintritts der Nacherbfolge der Überlebende der Nacherben alleine.
Am 26. Juli 1989 wurde nach der Anhörung der Beteiligten, die nicht Stellung nahm, ein Erbschein erteilt, wonach F. G. Alleinerbe geworden ist.
Die Beteiligte macht geltend, der Erbvertrag vom 22. Oktober 1940 sei nicht bindend gewesen; das Testament der Erblasserin aus dem Jahr 1988 sei wirksam; mit dem Tod des Vorerben aus dem Testament vom 26. Juli 1988, F. G., am 19. Februar 2011 sei sie alleinige Nacherbin geworden. Der Erbvertrag enthalte eine Regelungslücke für den Fall, dass das einzig verbleibende Kind testierunfähig sei und keine Abkömmlinge habe. Es bedürfe daher einer ergänzenden Auslegung. Die Eheleute – hätten sie diesen Umstand bedacht – würden einen einseitigen Rücktritts- oder Änderungsvorbehalt aufgenommen haben. Dies ergebe sich aus daraus, dass die Erblasserin das gesamte Vermögen in die Ehe eingebracht habe, ihr Ehemann dagegen vermögenslos gewesen sei. Es sei den Eheleuten gerade darauf angekommen, die Kinder abzusichern. Da sämtliche im Erbvertrag Bedachten bereits verstorben seien und es keine lebenden Abkömmlinge gebe, könne kein Recht mehr beeinträchtigt werden und sei das Testament vom 26. Juli 1988 wirksam. Die Beteiligte hat beantragt, ihr einen Erbschein, wonach sie Alleinerbin nach der Erblasserin geworden ist, zu erteilen, mit dem Vermerk, dass der Nacherbfall infolge des Todes des Vorerben F. G. am 19. Februar 2011 eingetreten ist. Das Amtsgericht – Nachlassgericht – hat mit Beschluss vom 15. Juni 2011 den Erbscheinsantrag der Beteiligten zurückgewiesen. (...)