Leitsatz
Die Erbengemeinschaft kann mit Stimmenmehrheit einen der Teilhaber zur Einziehung einer Nachlassforderung ermächtigen, sofern dies einer ordnungsgemäßen Verwaltung entspricht (im Anschluss an Senatsurteile vom 11. November 2009, XII ZR 210/05, BGHZ 183, 131 = FamRZ 2010, 119, und vom 20. Oktober 2010, XII ZR 25/09, NJW 2011, 61).
BGH, Urteil vom 19. September 2012 – XII ZR 141/10
Sachverhalt
Die Klägerin ist durch Urteil vom 7. August 2009 verurteilt worden, an die aus den Beklagten zu 1 und 2 bestehende Erbengemeinschaft Mietrückstände in Höhe von 14.863,10 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Der Beklagte zu 1 ist alleiniger Gesellschafter-Geschäftsführer der klagenden GmbH. Der Beklagte zu 1, auf den dreiviertel Erbanteil fällt, hat unter der Kontobezeichnung "Erbengemeinschaft A. G." ein Bankkonto eröffnet. Auf das Konto hat die Klägerin die titulierte Hauptforderung nebst angefallener Zinsen von 2.421,74 EUR eingezahlt. Mit ihrer Klage erstrebt sie – soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung – die Herausgabe des Schuldtitels und die Erklärung der Zwangsvollstreckung für unzulässig, da der titulierte Anspruch erfüllt sei.
Das Landgericht hat der Klage insoweit stattgegeben. Auf die vom Beklagten zu 2 eingelegte Berufung hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die zugelassene Revision der Klägerin, mit der sie insoweit die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erstrebt.
Aus den Gründen
Die zulässige Revision ist begründet.
I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt: Die Zwangsvollstreckung sei nicht für unzulässig zu erklären, da die titulierten Ansprüche nicht erfüllt seien. Die von der Klägerin geleistete Zahlung habe nicht zu einer Erfüllung der titulierten Forderung geführt, weil sie nicht an die Erbengemeinschaft als Gläubigerin der Forderung erfolgt sei. Der Beklagte zu 2 habe in eine Leistung allein an den Beklagten zu 1 nicht eingewilligt. Das von diesem eröffnete Konto habe rechtlich und wirtschaftlich allein ihm selbst zugestanden. Dass der Beklagte zu 1 das Konto und den darauf eingezahlten Betrag für die Erbengemeinschaft gehalten habe, reiche nicht aus, da er nicht durch Vereinbarung mit sich selbst ein Treuhandverhältnis zu den Miterben habe begründen könne (§ 181 BGB). Ohne Mitwirkung des Beklagten zu 2 habe der Beklagte zu 1 nicht über die Forderung verfügen können.
II. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die von der Klägerin erhobene Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) hat Erfolg, da die titulierte Forderung durch Erfüllung erloschen ist.
1. Gemäß § 362 Abs. 1 BGB erlischt das Schuldverhältnis, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird. Gehört ein Anspruch zum Nachlass, so kann der Verpflichtete nur an alle Erben gemeinschaftlich leisten und jeder Miterbe nur die Leistung an die Erben fordern (§ 2039 Abs. 1 BGB). Diese Voraussetzungen sind durch die Zahlungen der Klägerin nicht erfüllt worden. Denn das Konto, auf das sie erfolgten, stand nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts allein dem Beklagten zu 1 zu, der gegenüber der Bank alleiniger Forderungsinhaber geworden ist.
2. Die Zahlungen hatten jedoch gemäß §§ 362 Abs. 2, 185 Abs. 1 BGB Erfüllungswirkung. Denn die Klägerin konnte mit befreiender Wirkung auf das vom Beklagten zu 1 eingerichtete Konto zahlen. Zur Entgegennahme der Zahlung auf das von ihm eröffnete Konto war der Beklagte zu 1 aufgrund der durch seine Anteilsmehrheit am Nachlass ermöglichten Einziehungsermächtigung befugt.
a) Die Verwaltung des Nachlasses steht den Erben gemeinschaftlich zu (§ 2038 Abs. 1 BGB). Treffen die Erben keine gemeinsamen Bestimmungen, kann durch Stimmenmehrheit eine der Beschaffenheit des gemeinsamen Gegenstandes entsprechende ordnungsgemäße Verwaltung beschlossen werden (§ 2038 Abs. 2 Satz 1 BGB iVm § 745 Abs. 1 Satz 1 BGB). Sind nur zwei Teilhaber vorhanden und die Anteile verschieden groß, so hat der eine von vornherein die Mehrheit; das Mehrheitsprinzip wird hierdurch nicht außer Kraft gesetzt (Staudinger/Langhein, BGB [2008], § 745 Rn 15 mwN).
Zur Verwaltung einer gemeinschaftlichen Forderung kann deren Einziehung gehören (BGH, Beschluss vom 14. März 1983 – II ZR 102/82 – WM 1983, 604; MüKoBGB/K. Schmidt, 5. Aufl., § 744, 745 Rn 5 mwN). Die Einziehung kann einem Verwalter übertragen werden (BGH, aaO). Ebenso steht es den Gemeinschaftern frei, einen Teilhaber mit der Einziehung einer Nachlassforderung zu betrauen. Auch insoweit kann die Ermächtigung zur Einziehung der Forderung durch Stimmenmehrheit gemäß § 745 Abs. 1 BGB erteilt werden, sofern dies einer ordnungsgemäßen Verwaltung entspricht.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht § 2040 Abs. 1 BGB der Erfüllung nicht entgegen. Ob die Einziehung einer Forderung oder die Einziehungsermächtigung nach den §§ 362 Abs. 2, 185 Abs. 1 BGB zugleich eine Verfügung über einen Nachlassgegenstand im Sinne des § 2040 Abs. 1 BGB darstellt (vgl. Palandt/W...