Ist ein hinreichender Anfangsverdacht gegeben, hat das Nachlassgericht bei der Ermittlung in mehreren Stufen vorzugehen:
- Zunächst sind die Umstände und Verhaltensweisen des Erblassers, die Zweifel an seiner Testierfähigkeit wecken, aufzuklären.
- Anschließend sind die tatsächlichen Umstände, insbes. medizinische Befunde, festzustellen, aus welchen sich Beeinträchtigungen der geistigen Fähigkeiten des Erblassers ergeben können. Bei dieser diagnostischen Ebene haben ärztliche Feststellungen ein besonderes Gewicht.
- Schließlich ist zu ergründen, ob diese im konkreten Fall und im Zeitpunkt der Testamentserrichtung, eine freie Willensbildung ausgeschlossen haben. Bei dieser Symptom- und Verhaltensebene sind zunächst neben (fach-)ärztlich erhobenen Befunden auch beobachtungsnahe, konkrete Verhaltensbeschreibungen von psychiatrischen bzw. medizinischen Laien wertvoll, die dann von einem spezialisierten Sachverständigen ausgewertet werden müssen.
Liegen nach Überzeugung des Gerichts aufgrund seiner Ermittlungen und einer eventuellen Beweisaufnahme nicht genügend Anhaltspunkte für eine Testierunfähigkeit vor, so braucht es nach hM in der Jurisprudenz keinen Sachverständigen zu beauftragen; es kann dann aufgrund eigener Sachkunde von der Testierfähigkeit ausgehen. Dem ist nur dann zu folgen, wenn die zunächst vorgetragenen Zweifel an der Testierfähigkeit begründenden Tatsachen, die zur Amtsermittlung geführt haben, eindeutig entkräftet wurden. In allen anderen Fällen ist eine Aussage nur durch spezielle Sachverständige möglich. In zusammenfassenden Berichten können Aussagen über psychopathologische Auffälligkeiten fehlen, weil sich der Ersteller hierfür nicht zuständig sah, Pflegedokumentationen sind oft sehr knapp und auf die tägliche Behandlung ausgerichtet (stehen hier z. B. keine Auffälligkeiten, ist dies ein Hinweis an den Kollegen, dass der Zustand gegenüber dem Vortag unverändert ist, das kann unverändert gut oder schlecht bedeuten), Zeugen können aus falsch verstandenem Respekt vor dem Toten und dessen Ansehen nichts "Nachteiliges" über ihn sagen wollen. Daher gilt: In dubio pro Sachverständiger.
Da nur Sachverständige Aussagen dazu machen können, welche Umstände auf eine Testierunfähigkeit schließen lassen, sind sie letztlich als Begleiter ab der ersten Stufe einzuschalten.
Zu befürworten ist daher die vom OLG Düsseldorf angedachte Vorgehensweise: "Zunächst werden dem Sachverständigen (...) die Akten zur Verfügung gestellt und wird der Sachverständige gebeten werden, schriftliche Unterlagen (wie beispielsweise Krankenblätter) zu bezeichnen, die der Begutachtung hilfreich sein könnten und die von dem Beklagten zur Verfügung gestellt bzw. besorgt werden können. Alsdann sollen die vorgenannten fünf Zeugen vom Senat in Gegenwart des Sachverständigen vernommen werden, um auch dem Sachverständigen Gelegenheit zu geben, direkt sachdienliche Fragen an die Zeugen zu stellen. Danach soll das schriftliche Gutachten erstattet werden."
Dabei ist festzuhalten, dass die landläufig in der Jurisprudenz vorzufindende Auffassung, aus einem späteren geistigen Verfall könnten fast nie Rückschlüsse gezogen werden, wann und in welchem Umfang dieser eingesetzt hat, in dieser Pauschalität so nicht richtig ist. Beweiskräftige Ergebnisse lassen sich heute in den meisten Fällen auch retrospektiv erzielen, wenn alle relevanten Informationsquellen genutzt und fachgerecht ausgewertet werden. Die Übersetzung der fremdanamnestischen Angaben in die psychiatrische Begriffswelt ist gängige Praxis. Erforderlich ist eine "psychopathologische Autopsie" iRe forensisch-psychiatrischen Gutachtens. Da kaum eine Aussage exakt zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung getroffen werden kann, ist es in aller Regel notwendig, Umstände vor und nach Testamentserrichtung vorzutragen, die für eine Testierunfähigkeit sprechen.
Hierzu sind – so vorhanden – die Betreuungsakten beizuziehen, Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK), die als "Pflegeversicherungsgutachten" eingeholt wurden und weitere psychiatrisch relevante Begutachtungen z. B. der Psychologisch-medizinischen Untersuchungsstellen (PMU), z. B. zum Alkoholmissbrauch, Patientenakten, Pflegedokumentationen einzuholen, aber auch Notizen und sonstige Unterlagen des Erblassers wie Telefonverbindungen. Das Gericht hat im Einzelfall unter Zuhilfenahme der Beteiligten zu eruieren, welche Dokumente vorhanden sind und in Abstimmung mit dem Gutachter festzustellen, welche hilfreich sein könnten. Diese Unterlagen sind dem Gutachter samt des Testaments sodann vorzulegen. Zeugen aus dem Umfeld des Erblassers sind unter Beisein des Sachverständigen und der übrigen Beteiligten zu hören. Dabei sind für die psychiatrische Beurteilung weniger die von fachfremden – dazu zählen auch alle nicht speziell ausgebildeten Mediziner – verwendeten abstrakten Begriffe, als vielmehr die konkreten Beobachtungen von Verhalten. Aussagen wie "er ve...