Anmerkung zu Jülicher, Die ausländische Familienstiftung des ErbStG im Umbruch, ZErb 12/2015, S. 357 ff
Jülicher schreibt in seinem Beitrag auf S. 364: "Es mag gerade in jüngerer Zeit Überlegungen gegeben haben, unter den Begriff "Vermögensmasse ausländischen Rechts" nahezu alles im In- und Ausland zu erfassen, was überhaupt einen steuerpflichtigen Übergang auf eine nicht natürliche Person oder von ihr bedeuten kann. Z. B. vertreten Hübner u. a. überraschend im Zusammenhang mit einer etwaigen Relevanz der Ersatzerbschaftsteuer für inländische, nichtrechtsfähige Stiftungen, es hätten als Vermögensmasse sogar inländische Rechtsträger ohne jeden Auslandsbezug erfasst werden sollen, jedenfalls nach Äußerungen während des Gesetzgebungsverfahrens." Diese Ausführungen sind schlicht falsch; für Überraschung besteht keinerlei Anlass: Hübner/Currle/Schenk vertreten in DStR 2013, 1966 ff, 1970 nichts dergleichen. Überraschend ist dagegen Jülichers Interpretation, die möglicherweise auf einer (zu) flüchtigen Lektüre des kritisierten Beitrags beruht.
Worum geht es?
Hübner/Currle/Schenk befassen sich in ihrem Betrag mit der Frage, ob auch eine nichtrechtsfähige Stiftung Familienstiftung iSd ErbStG sein kann – was von der überwiegenden Meinung bislang abgelehnt wurde, allerdings überwiegend im Stil einer Behauptung ohne Begründung – und gehen in diesem Zusammenhang der Frage nach, ob der nicht rechtsfähigen Stiftung Subjektsfähigkeit iSd ErbStG zukommt, sie also Erwerber und Schenker iSd ErbStG sein kann. In diesem Zusammenhang verweisen die Autoren u. a. darauf, dass der Gesetzgeber durch die §§ 7 Abs. 1 Nr. 8 S. 2 und Nr. 9 S. 2 ErbStG nichtrechtsfähigen Vermögensmassen ausländischen Rechts diese Subjektsfähigkeit ausdrücklich zuerkannt hat. Aus der Gesetzgebungsgeschichte zum StEntlG 1999/2000/2002 ergibt sich, dass der Gesetzgeber die Anwendung dieser Normen nicht davon abhängig machen wollte, dass diese Vermögensmassen Sitz oder Geschäftsleitung im Ausland haben. Nichtrechtsfähige ausländische Vermögensmassen sind demnach auch dann Steuersubjekte iSd ErbStG, wenn sie ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung im Inland haben. Daraus folgern die Autoren, dass dann einer inländischen nichtrechtsfähigen Stiftung die Subjektsfähigkeit nicht abgesprochen werden kann. Dass sie gleichwohl nicht unter § 7 Abs. 1 Nr. 8 S. 2 oder Nr. 9 S. 2 ErbStG subsumiert werden kann, ist dagegen offensichtlich, denn zu den Tatbestandsvoraussetzungen dieser Normen gehört eben auch das Erfordernis, dass es sich um eine Vermögensmasse ausländischen Rechts handeln muss. Das ist bei einer nichtrechtsfähigen Stiftung deutschen Rechts zweifelsfrei zu verneinen. Die Autoren behaupten insoweit nichts anderes.
Ist die nicht rechtsfähige Stiftung ein Steuersubjekt iSd ErbStG, dann – so die Argumentation von Hübner/Currle/Schenk – kann sie (1) auch Familienstiftung iSd ErbStG sein und das Steuerklassenprivileg des § 15 Abs. 2 S. 1 ErbStG in Anspruch nehmen – man beachte den ausdrücklichen Inlandsbezug dieser Norm – und (2) andererseits auch der Ersatzerbschaftsteuer unterliegen.
Die von Hübner/Currle/Schenk vertretene Auffassung hat – wenig überraschend – Widerspruch erfahren: Ihr sind van Randenborgh, BB 2013, 2780 und Theuffel-Wehrhahn, ZEV 2014, 14 entgegengetreten, ohne allerdings den Anlass ihres schriftstellerischen Engagements, nämlich den Aufsatz von Hübner/Currle/Schenk auch nur zu erwähnen. Beide wenden sich letztlich gegen die zwangsläufige Kehrseite der von Hübner/Currle/Schenk vertretenen Auffassung, dass nämlich eine nichtrechtsfähige Familienstiftung der Ersatzerbschaftsteuer unterliegt.
Allerdings haben sich die Erbschaftsteuerrefenten des Bundes und der Länder in einem nicht veröffentlichen Beschluss der von Hübner/Currle/Schenk vertretenen Auffassung angeschlossen. Dem Vernehmen nach war hierfür gerade die vorstehend wiedergegebene Argumentation zur schenkungsteuerlichen Subjektsfähigkeit der nichtrechtsfähigen Stiftung zentraler Grund.
Autor: Von Dr. Heinrich Hübner, Rechtsanwalt und Steuerberater, Stuttgart
ZErb 2/2016, S. 046 - 047