Leitsatz
Die Regelung in einem Erbvertrag, dass die elterliche Vermögenssorge, betreffend einen an einen Minderjährigen zu übertragenden Zuwendungsgegenstand, nur vom Vater ausgeübt werden soll, hindert die Parteien des Erbvertrags nicht an dessen Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung.
OLG Hamm, Beschluss vom 24. November 2014 – I-15 W 425/14
Sachverhalt
Die Beteiligten haben am 9.3.2010 in der o. a. Urkunde einen Erbvertrag geschlossen. In diesem hat der Beteiligte zu 2) in vertragsmäßiger Form dem Sohn des Beteiligten zu 1) ein Vermächtnis zugewandt. Für den Fall, dass der Vermächtnisnehmer beim Eintritt des Erbfalls noch minderjährig sein sollte, hat der Beteiligte zu 2) die elterliche Vermögenssorge bei der Verwaltung des Vermächtnisgegenstandes dahingehend beschränkt, dass diese allein bei dem Vater, dem Beteiligten zu 1) liegen sollte. Der Erbvertrag ist durch den Notar auftragsgemäß in amtliche Verwahrung des Nachlassgerichts gegeben worden.
Im August 2014 sind die Beteiligten beim Nachlassgericht erschienen und haben um Rückgabe des Erbvertrags aus der amtlichen Verwahrung gebeten. Diesem Antrag hat die zuständige Rechtspflegerin nicht entsprochen, da sie die Anordnung hinsichtlich der Beschränkung der elterlichen Sorge als Rechtsgeschäft unter Lebenden bewertet hat. Die Beteiligten haben daraufhin gebeten, den Erbvertrag einstweilen wieder in die Verwahrung zu nehmen. Anfang September haben sie sich durch ein gemeinsames Schreiben an das Nachlassgericht gewandt und nochmals um die Herausgabe des Erbvertrags gebeten, wobei sie um rechtsmittelfähige Bescheidung baten. Das Nachlassgericht hat dieses Schreiben als Antrag auf einen neuen Termin zwecks Rückgabe des Erbvertrags ausgelegt und diesen mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen.
Aus den Gründen
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Es ist im Ausgangspunkt nicht zu beanstanden, dass das Amtsgericht auf der Grundlage des § 2300 Abs. 2 S. 1 BGB den Inhalt des Erbvertrags näher auf das Vorliegen lebzeitiger Rechtsgeschäfte geprüft und die Anordnung betr. die elterliche Vermögenssorge insoweit als bedenklich angesehen hat. Denn die Rücknahme eines Erbvertrags aus der amtlichen Verwahrung ist für die Vertragsbeteiligten mit Rücksicht auf die Möglichkeit versteckter oder gar konkludenter, lebzeitiger Rechtsgeschäfte in der Urkunde, die den Beteiligten in ihrer Bedeutung oft nicht präsent sein werden, mit einem nicht unerheblichen Risiko verbunden. Enthält nämlich die Urkunde auch ein solches Rechtsgeschäft, so bleibt die Rücknahme ohne Wirkung, d. h., dass der Erbvertrag dann, entgegen den Erwartungen der Beteiligten, wirksam bleibt.
Auch ist die Anordnung nach § 1638 BGB hinsichtlich der Einordnung als letztwillige Verfügung nicht unproblematisch. Hinsichtlich § 2300 Abs. 2 S. 1 BGB ist nämlich nicht eindeutig, welche Vorstellung der Gesetzgeber mit dieser Einschränkung verbunden hat. Die Gesetzesbegründung (BTDrs. 14/9266 S. 49) schweigt sich hierzu aus. Klar ist insoweit nur, dass der Begriff der letztwilligen Verfügung hier im Sinne der einzelnen Anordnung und nicht, wie bei § 1638 Abs. 1 BGB, im Sinne der äußeren Form (vgl. hierzu auch § 1937 BGB) verwandt wird. Abzustellen ist danach auf den Inhalt des jeweiligen Rechtsgeschäfts. Inhaltlich lässt eine letztwillige Anordnung nach § 1638 Abs. 1 BGB aber ebenfalls nicht eindeutig zuordnen. Auf der einen Seite kann sie nur bezogen auf den durch die erbrechtliche Verfügung bedingten Rechtsübergang Bedeutung erlangen, andererseits regelt sie nicht diesen, sondern allein die danach geltende familienrechtliche Situation.
Der Senat wertet die für den Fall des erbrechtlichen Rechtserwerbs getroffene Anordnung nach § 1638 Abs. 1 BGB gleichwohl als letztwillige Verfügung im Sinne des § 2300 Abs. 2 S. 1 BGB (ebenso BeckOK-BGB/Litzenburger, § 2300 Rn 3). Maßgebend für den Senat ist dabei die enge, sachliche Verknüpfung der geregelten Rechtsfolgen mit der konkreten erbrechtlichen Regelung. Denn völlig unabhängig von subjektiven Zielsetzungen der Beteiligten oder gar entsprechenden Absprachen, kann eine solche Anordnung nur dann zum Tragen kommen, wenn auch die letztwillige Zuwendung Bestand hat. Welchen Zweck man der Beschränkung des § 2300 Abs. 2 S. 1 BGB auf letztwillige Verfügungen auch immer beilegen mag, macht doch die Unterscheidung zwischen der letztwilligen Zuwendung und der Anordnung nach § 1638 Abs. 1 BGB keinen Sinn, da Letztere mit der Zuwendung steht und fällt. Im Übrigen vermeidet ein solches Verständnis Verwerfungen mit der überkommenen Auslegung des § 1638 Abs. 1 BGB, nach der sich auch die Aufhebung der die Anordnung enthaltenden Verfügung nach den allgemeinen erbrechtlichen Regeln richtet (vgl. Staudinger/Engler, BGB, 2009, § 1638 Rn 9 unter Hinweis auf Mot IV 170). (...)
ZErb 3/2015, S. 091