Die Mediation eignet sich insofern in vielen typischen erbrechtlichen Streitkonstellationen nahezu ideal als Mittel einer alternativen Streitbeilegung. Dies lässt sich an folgendem Beispielsfall exemplarisch illustrieren:

Erblasser E hinterlässt eine Ehefrau und zwei Kinder. Ein Testament hat er nicht errichtet. Der Nachlass besteht aus beweglichem Vermögen und mehreren Immobilien-/anteilen, die teilweise von der Ehefrau selbst genutzt werden und teilweise vermietet sind. Der Erblasser war daneben auch Vorerbe eines im Familienbesitz befindliches Mehrparteienhauses, das nun an seine Kinder als Nacherben weitergegeben werden soll, wobei diese wiederum nur nichtbefreite Vorerben sein sollen und den Nachlassgegenstand ihrerseits an ihre Abkömmlinge als Nacherben weitergeben müssen. Die Miterben sind uneinig mit Blick auf diverse Verwaltungsfragen und auch hinsichtlich der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft. Mittlerweile droht die Situation zu eskalieren, weil sich ein Kind übervorteilt fühlt und eine Lagerbildung zwischen der Mutter und dem Geschwisterkind befürchtet. Es tritt an Sie als anwaltlicher Vertreter heran mit dem Wunsch, Sie mögen nun endlich "hart durchgreifen” und gerichtliche Maßnahmen einleiten. "

Sicherlich wäre die Einleitung eines oder mehrerer Teilungsversteigerungsverfahren (§§ 2042 Abs. 2, 753 Abs. 1 BGB, § 180 ZVG) eine denkbare Möglichkeit, die Erbauseinandersetzung im vorliegenden Fall voranzutreiben. Solche Anträge sind bekanntlich relativ unproblematisch und schnell gestellt. Sowohl vom Mandanten wie zuweil auch vom Rechtsanwalt häufig nicht bedacht werden allerdings die vielschichtigen weiteren, rechtlichen und psychologischen Abwicklungsschwierigkeiten, die sich an eine Teilungsversteigerung anschließen: So wird der Versteigerungserlös nicht etwa automatisch an die Miterben nach Quote verteilt, sondern muss für den Fall, dass sich (einzelne) Miterben einer freiwilligen Verteilung widersetzen, per Erbauseinandersetzungsklage (§§ 2042 Abs. 2, 752, 753 BGB)[24] freigeklagt werden. Die Unwägbarkeiten und Haftungsfallen (z. B. mangelnde Teilungsreife), die im Zusammenhang mit einer Erbauseinandersetzungsklage einhergehen, sind unter Erbrechtlern hinlänglich bekannt.[25] Unabhängig davon führt eine solche Vorgehensweise in vielen Fällen tatsächlich zu einer weiteren Verhärtung der Fronten und verschärft das Risiko, dass sich die Beteiligten wider jegliche wirtschaftliche Vernunft lieber gemeinsam in den Abgrund stürzen[26], als nach konstruktiven Lösungen zu suchen. Massive zeitliche Verzögerungen und eine Erhöhung der finanziellen Belastung des Mandanten durch Anwalts- und Verfahrenskosten sind in diesen Konstellationen zudem beinahe obligatorisch.

Verkannt würde bei Einleitung eines Teilungsversteigerungsverfahrens auch die emotionale Situation der Beteiligten. Schließlich nutzt die miterbende Mutter im vorliegenden Fall das Immobilienvermögen teilweise selbst und wäre latent mit einem Auszug aus dem Familienheim konfrontiert. Dies sollte den Rechtsanwalt des Kindes insofern interessieren, als schließlich einmal ein weiterer Erbfall – der der Mutter selbst – bevorsteht und bei einer vom Mandanten vermuteten Lagerbildung zwischen Mutter und Geschwisterkind durchaus eine Enterbung des Mandanten zu befürchten ist, sollte sich die Angelegenheit nicht einvernehmlich beilegen lassen. Zudem befindet sich der Mandant als Vorerbe in einer weiteren Erbengemeinschaft mit dem Geschwisterkind und muss mit diesem notgedrungen alleine über die Verwaltung des gemeinsam gehaltenen Objekts auch in Zukunft zurechtkommen. Würden sich die Fronten über die Auseinandersetzung des väterlichen Nachlasses weiter verhärten, drohen auch hier zivilrechtliche Folgestreitigkeiten.

Das sind düstere Aussichten. Gleichzeitig wäre der eben beschriebene Sachverhalt mediationsgeeignet. Die Mediation stellt eine gegenüber der üblichen streitigen zivilrechtlichen Erbauseinandersetzung häufig effizientere, kostensparendere und schnellere Methode dar, den Konflikt der Parteien zu lösen und dauerhaft zu befrieden. Weitere Wertschöpfungspotentiale ergeben sich im konkreten Fall über eine Absicherung der Mutter (Verbleib im Haus, Vereinbarung von Nutzungsrechten) und der Kinder (Sicherung des mütterlichen Nachlasses über die Vereinbarung erbvertraglicher Regelungen, Vereinbarung von Verwaltungsregelungen im Hinblick auf das Vorerbenvermögen).

[24] Ein Muster zum Klageantrag bei komplexer Nachlasszusammensetzung findet sich bspw. bei Erker/Oppelt, Münchener Anwaltshandbuch Erbrecht, 4. Aufl. 2014, § 61 Rn 26.
[25] Übersicht bei Rißmann, Die Erbengemeinschaft, 2. Aufl. 2014, § 8 Rn 60.
[26] Siehe die Eskalationsleiter bei Glasl, Konfliktmanagement, 11. Aufl. 2017, S. 235 ff.

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