Leitsatz
Im Falle der gerichtlichen Geltendmachung einer durch den Erblasser begründeten Verbindlichkeit aus einem Darlehen gegen mehrere Miterben als Gesamtschuldner scheidet eine Gerichtsstandsbestimmung gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO aus, da der erweiterte Gerichtsstand der Erbschaft, § 28 ZPO, eröffnet ist.
OLG Hamm, Beschluss vom 16. Januar 2018 – 32 SA 57/17
Sachverhalt
Die Klägerin nimmt den Beklagten gemeinsam mit den gesondert verfolgten Frau B, wohnhaft in M (Landgerichtsbezirk ...), und Frau N, wohnhaft in H (ebenfalls Landgerichtsbezirk ...) als Miterben nach der am ... 2013 in M verstorbenen Frau C (im Folgenden: Erblasserin) in Anspruch. Gegen Frau N liegt ein vor dem AG ... erwirkter, rechtskräftiger Vollstreckungsbescheid vor. Das Verfahren gegen Frau B soll nach Antrag der Klägervertreter vor dem Landgericht ... anhängig gemacht bzw. fortgeführt werden.
Die Klägerin hatte mit der Erblasserin am 25.1.2012 einen Darlehensvertrag über 12.000 EUR geschlossen und diesen nach Rückständen im Juni 2014 gekündigt. Hieraus resultiert nach dem Vortrag der Klägerin ein Rückzahlungsanspruch von noch 9.300,59 EUR zzgl. Zinsen, den sie gegen den Beklagten und die gesondert Verfolgten in ihrer Eigenschaft als (Mit-)Erben geltend macht.
Dem Rechtsstreit vorausgegangen ist ein (...) Mahnverfahren. Als Prozessgericht, an das im Falle des Widerspruchs das Verfahren abgegeben werden soll, hatte die Klägerin in den Anträgen auf Erlass eines Mahnbescheides bezogen auf den Beklagten das Landgericht D und bezogen auf die gesondert verfolgten B und N jeweils das Landgericht V angegeben. Nach Widerspruchseinlegung durch seine Prozessbevollmächtigten am 11.12.2014 hat das Amtsgericht U das gegen den Beklagten gerichtete Verfahren am 24.8.2017 an das Landgericht D abgegeben.
Mit Anspruchsbegründung vom 5.9.2017 hat die Klägerin u. a. beantragt, das Verfahren an das Landgericht V zu verweisen. Mit Verfügung vom 7.9.2017 hat das Landgericht D darauf hingewiesen, dass eine Verweisung des Rechtsstreits nicht möglich sei, aber ggfs. eine Zuständigkeitsbestimmung durch das Oberlandesgericht H nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO in Betracht komme. Daraufhin hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 13.9.2017 das Oberlandesgericht H zum Zwecke der Zuständigkeitsbestimmung angerufen und beantragt, das Landgericht V als zuständiges Gericht zu bestimmen.
Mit Verfügung vom 29.9.2017 hat der Senat darauf hingewiesen, dass der Zuständigkeitsbestimmung vorliegend das Vorliegen des gemeinschaftlichen besonderen Gerichtsstands der Erbschaft (§ 28 ZPO) entgegenstehen dürfte. Beide Parteien haben daraufhin mit Schriftsätzen vom 24.10.2017 und 20.11.2017 übereinstimmend bzw. erneut die Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht V beantragt.
Aus den Gründen
Das Oberlandesgericht H ist gemäß § 36 Abs. 2 ZPO zur Entscheidung im Gerichtsstandsbestimmungsverfahren berufen. Der Beklagte hat seinen allgemeinen Gerichtsstand iSd §§ 12, 13 ZPO (d. h. seinen Wohnsitz) in T-T (LG-Bezirk D), die vor dem AG U bzw. LG V gesondert verfolgte B hingegen in M (LG-Bezirk V). In Bezug auf diese Gerichtsstände wäre der Bundesgerichtshof das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht. Das im Bezirk des Oberlandesgerichts H gelegene Landgericht D war als erstes mit der Sache befasst.
Die Voraussetzungen für eine Gerichtsstandsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen jedoch nicht vor, da vorliegend ein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand, nämlich der erweiterte Gerichtsstand der Erbschaft gemäß § 28 ZPO gegeben ist. Denn § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ist im Grundsatz, d. h. von – hier nicht gegebenen – Sonderfällen abgesehen, nur dann anwendbar, wenn für mehrere als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand zu verklagende Personen hinsichtlich sämtlicher Klagegründe kein gemeinschaftlicher allgemeiner oder besonderer Gerichtsstand im Inland gegeben ist (vgl. Zöller/Schulzki, ZPO 32. Aufl. 2018, § 36 ZPO, Rn 23 mwN).
Im vorliegenden Fall nimmt die Klägerin nach ihrem insoweit maßgeblichen Vortrag den Beklagten und die gesondert verfolgten B und N als Miterben für die von der Erblasserin zu Lebzeiten in Form eines Darlehensvertrages begründeten Nachlassverbindlichkeiten (§ 1967 BGB) als Streitgenossen in Anspruch. Hierfür ist der gemeinsame sog. erweiterte Gerichtsstand der Erbschaft gemäß § 28 ZPO gegeben. In diesem Gerichtsstand können auch Klagen wegen anderer als der in § 27 ZPO ("besonderer Gerichtsstand der Erbschaft") genannten Nachlassverbindlichkeiten erhoben werden, solange sich der Nachlass noch ganz oder teilweise im Bezirk des Gerichts befindet oder – wie vorliegend – die vorhandenen mehreren Erben noch als Gesamtschuldner haften. Dabei muss es sich um Nachlassverbindlichkeiten handeln, die über den Kreis der bereits in § 27 ZPO erfassten sog. Erbfallschulden hinausgehen, also z. B. um Nachlassverbindlichkeiten iSd § 1967 BGB, die vom Erblasser selbst herrühren (Zöller/Schultzky, ZPO 32. Aufl., § 28 ZPO, Rn 1–2 mwN). Hierzu gehört insbesondere eine vom Erblasser – wie auch vorliegend der Fall – zu Lebzeiten be...