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Der Antrag auf Erteilung eines Erbscheins löst anwaltliche Gebühren aus. Schon schwieriger ist die Suche nach einer Antwort auf die Frage, welcher Gebührentatbestand im Einzelfall zum Zuge kommt. Eine Recherche über juris (Stichworte: Erbschein und RVG) führt zu zahlreichen Entscheidungen und Aufsätzen zur zum Teil kontrovers geführten Diskussion über die Gebühren in Erbscheinsbeschwerdeverfahren. So weit, so gut. Aber welche Gebühren entstehen in vergleichsweise einfach gelagerten Fällen, in denen ein Antrag gestellt, begründet und der Erbschein ohne Beweisaufnahme oder mündliche Erörterung wie beantragt erteilt wird?
1. Allgemeines
Das Erbscheinsverfahren ist ein nicht streitiges, echtes Antragsverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Der Rechtsanwalt erhält dieselben Gebühren wie in bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten nach Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG. Mithin fallen die Gebühren gemäß den §§ 2, 13 RVG iVm Nr. 3100 ff VV RVG an.
Für den Regelfall sieht Nr. 3100 VV RVG eine Verfahrensgebühr von 1,3 vor. Nach Nr. 3101 Nr. 3 VV RVG verringert sich diese auf 0,8, "soweit […] in einem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit lediglich ein Antrag gestellt und eine Entscheidung entgegengenommen wird".
Wann "lediglich ein Antrag gestellt" wird, ist nicht unumstritten; Rechtsprechung zu dieser Frage, insbesondere im Zusammenhang mit Erbscheinsanträgen, scheint es bisher nicht zu geben oder blieb unveröffentlicht. Die Diskussion spitzt sich auf eine Frage zu: Entsteht auch dann nur eine verringerte Gebühr nach Nr. 3101 Nr. 3 VV RVG, wenn der Antrag begründet worden ist?
Müller-Rabe vertritt die Ansicht, ein Sachvortrag ändere nichts an der verringerten Gebühr von 0,8, und nennt beispielhaft ausdrücklich den Erbscheinsantrag. Unerheblich sei, ob es sich um eine kurze oder lange Begründung handele. Da Anträge in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit meist wenigstens eine kurze Begründung enthielten, liefe Nr. 3101 Nr. 3 VV RVG andernfalls "ins Leere". Auch nach Hartmann mache es keinen Unterschied, ob der Antrag mit oder ohne Begründung gestellt wird.
Die wohl überwiegende Meinung sieht dies anders. Sei der Erbscheinsantrag mit Sachvortrag verbunden, löse dies die Regelgebühr in Höhe von 1,3 nach Nr. 3100 VV RVG aus. Die letztgenannte Meinung erscheint mE zutreffend.
2. Der FamFG-Antrag im Allgemeinen
Mit dem Wort "lediglich" grenzt der Gesetzgeber die Tätigkeit des Anwalts vom Regelfall derart ab, dass diese einen geringeren Umfang haben muss; etwas, was sonst vergütet wird, fällt weg oder unterbleibt. Stellt sich die Frage, was damit gemeint sein kann.
2.1 § 23 FamFG versus § 253 ZPO
Die formellen Voraussetzungen eines verfahrenseinleitenden Antrags der freiwilligen Gerichtsbarkeit enthält § 23 FamFG. Als das zivilprozessuale Pendant dürfte § 253 ZPO angesehen werden: Mit der Erhebung einer Klage, die das Verfahren einleitet, beginnt ein Prozessrechtsverhältnis.
Auch wenn § 23 FamFG mit § 253 ZPO nicht ohne Weiteres zu vergleichen ist, so unterscheiden dennoch beide Normen im Wesentlichen zwischen dem Antrag einerseits und dessen Begründung (FamFG) bzw. dem Klagegrund (ZPO) andererseits. Der in § 253 Abs. 2 S. 2 ZPO noch zusätzlich genannte Klagegegenstand ist praktisch bedeutungslos.
2.1.1 Begründungszwang
In kontradiktorischen Verfahren sind die den Klageantrag stützenden Tatsachen zwingend vom Kläger vorzutragen und ggf. unter Beweis zu stellen. Ist der Vortrag geeignet, den Klageantrag sachlich zu rechtfertigen, ist eine Klage schlüssig; andernfalls ist sie als unbegründet abzuweisen.
2.1.2 Begründungsfreiheit
Die Begründung eines Antrags der freiwilligen Gerichtsbarkeit war unter der Geltung des FGG nicht vorgesehen. Auch das FamFG geht weiterhin von diesem Grundsatz aus, legt dem Antragsteller allerdings im Wege einer Soll-Vorschrift die Obliegenheit auf, eine Antragsbegründung zu liefern (§ 23 Abs. 1 S. 2 FamFG). Dadurch will der Gesetzgeber erreichen, dass ein Gericht in die Lage versetzt wird, die Sache möglichst frühzeitig zu prüfen, das Verf...