Leitsatz
1. Die dem sorgeberechtigten Elternteil gemäß § 1643 Abs. 2 BGB erteilte familiengerichtliche Genehmigung zur Ausschlagung einer Erbschaft des minderjährigen Kindes wegen Überschuldung des Nachlasses beinhaltet zugleich auch die Genehmigung zu einer etwa erforderlich werdenden Anfechtung der Versäumung der Ausschlagungsfrist gem. § 1956 BGB hinsichtlich der nämlichen Erbschaft. Insofern bedarf es für eine derartige Anfechtung nicht der erneuten familienrechtlichen Genehmigung gemäß § 1643 Abs. 2 BGB.
2. Im Rahmen der Genehmigung zur Ausschlagung einer Erbschaft bzw. zur Anfechtung der Versäumung der Ausschlagungsfrist hat das Familiengericht allein zu prüfen, ob diese Maßnahme dem Interesse des Kindes dient; die Entscheidung, ob die Ausschlagung wirksam erklärt oder die Annahme rechtswirksam angefochten wurde, ist dagegen allein dem Nachlassgericht vorbehalten.
OLG Celle, Beschluss vom 14. Januar 2013 – 10 UF 291/12
Sachverhalt
Die Antragstellerin ist die allein sorgeberechtigte Mutter des minderjährigen Kindes L. D., geb. am … 2001. Sie hat als gesetzliche Vertreterin beim Amtsgericht die Genehmigung einer für das Kind am 28. Februar 2011 erklärten Erbausschlagung in der Nachlassangelegenheit nach dem am 26.12.2010 verstorbenen M. D. beantragt (Az: 50 VI 448/11).
Das Amtsgericht hat nach Gewährung rechtlichen Gehörs für L. Ergänzungspflegschaft angeordnet (620 F 1858/12 PF) und einen Ergänzungspfleger bestellt. Mit Beschluss vom 30. Mai 2011 hat es, nachdem die Überschuldung des Nachlasses festgestellt worden ist, die Ausschlagung der Erbschaft familiengerichtlich genehmigt (620 F 1021/11 SO). Die rechtskräftige Genehmigung wurde der Kindesmutter mit Schreiben vom 26. Juni 2012 am 30. Juni 2012 zugestellt. Die Kindesmutter hat den Genehmigungsbeschluss nicht innerhalb der Ausschlagungsfrist beim Nachlassgericht eingereicht. Am 20. September 2012 hat sie beim Nachlassgericht die Anfechtung der Versäumung der Ausschlagungsfrist wegen Irrtums erklärt und die familiengerichtliche Genehmigung der Anfechtungserklärung beantragt. Gleichzeitig hat sie um Verfahrenskostenhilfe für den Antrag nachgesucht.
Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 11. Oktober 2012, auf den auch zur weiteren Sachdarstellung Bezug genommen wird, den Antrag der Kindesmutter auf familiengerichtliche Genehmigung der Anfechtungserklärung vom 20. September 2012 mit der Begründung zurückgewiesen, die Kindesmutter könne sich nicht darauf berufen, sie habe keine Kenntnis davon gehabt, dass die familiengerichtliche Genehmigung zur vollen Wirksamkeit der Ausschlagungserklärung innerhalb der Ausschlagungsfrist beim Nachlassgericht eingereicht werden müsse, da ihr gerade dies mit Übersendung der rechtskräftigen familiengerichtlichen Genehmigung mit Schreiben vom 26. Juni 2012 mitgeteilt worden sei.
Dagegen richtet sich die Beschwerde der – mittlerweile durch einen Verfahrensbevollmächtigten vertretenen – Kindesmutter. Sie habe von der Existenz und dem Inhalt des Schreibens vom 26. Juni 2012 erst am 20. September 2012 durch Akteneinsicht ihres Verfahrensbevollmächtigten Kenntnis erlangt. Das Schreiben sei zwar, wie sich dies aus der Zustellungsurkunde ergebe, am 30. Juni 2012 in ihren Briefkasten, den sie sich mit ihrem separat wohnenden volljährigen Sohn teile, eingelegt worden, ihr aber nicht zur Kenntnis gelangt.
Aus den Gründen
Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere formgerecht eingelegt und begründet. Sie kann in der Sache jedoch keinen Erfolg haben, denn das Amtsgericht hat im Ergebnis zu Recht den Antrag auf familiengerichtliche Genehmigung der Anfechtungserklärung vom 20. September 2012 zurückgewiesen.
Gemäß § 1956 BGB kann die Versäumung der Ausschlagungsfrist (§ 1944 BGB), mit der die Erbschaft als angenommen gilt (§ 1943 BGB), in gleicher Weise angefochten werden wie die Annahme. Somit finden auf die Fristversäumung die §§ 119 ff BGB mit der Maßgabe Anwendung, dass anstelle des Tatbestandsmerkmals "Willenserklärung" dann "Versäumung der Ausschlagungsfrist" zu lesen ist (vgl. Palandt-Weidlich, BGB, 71. Aufl. 2012, § 1956 Rn 1).
Die Anfechtung der Versäumung der Ausschlagungsfrist (und damit der Annahme der Erbschaft) bedarf nach § 1822 Nrn. 1 und 2 BGB grundsätzlich der familiengerichtlichen Genehmigung, da sie nach § 1957 Abs. 1 BGB als Ausschlagung gilt (vgl. Palandt-Weidlich aaO, § 1957 Rn 3). Vorliegend ist jedoch zu beachten, dass das Amtsgericht mit Beschluss vom 30. Mai 2012, rechtskräftig seit dem 21. Juni 2012, bereits die für die Ausschlagung beantragte familiengerichtliche Genehmigung nach § 1643 Abs. 2 BGB erteilt hat. Diese Genehmigung deckt, was seit RGZ 143, 419, 424 einhellige Auffassung ist, ohne Weiteres auch eine nach § 1956 BGB erklärte Anfechtung (vgl. Palandt aaO, § 1956 Rn 1 BGB; MüKo-Leipold 5. Aufl. § 1956 Rn 5 BGB; PWW-Tschichoflos 7. Aufl. § 1956 Rn 6 BGB; Erman-Schlüter 13. Aufl. § 1956 Rn 3 BGB). Für eine (erneute) Beschlussfassung des Amtsgerichts hinsichtlich einer bereits erteilten Genehmigung besteht damit seitens der Kindesmutter kein Anspruch.