Leitsatz
Auch ein sozialhilfeberechtigter Erbe ist befugt, als Ausdruck der "negativen Erbfreiheit" die ihm zugefallene Erbschaft auszuschlagen.Diese Erklärung ist nur dann unwirksam, wenn positiv festzustellen ist, dass durch die Ausschlagung gegen übergeordnete Wertungen verstoßen wird. Der durch die Ausschlagung ermöglichte weitere Bezug öffentlicher Leistungen stellt einen solchen Verstoß nicht dar, weil die Bedürftigkeit durch die Ausschlagung der Erbschaft befristet aufrecht erhalten wird.
LG Neuruppin, Beschluss vom 28. Juni 2017 –5 T 21/17
Sachverhalt
Für die Betroffene wurde eine Betreuung angeordnet, deren Eltern zu Betreuern bestellt und ihnen u. a. die Aufgabenkreise der Vermögenssorge und der Vertretung vor Behörden übertragen (vgl. Bl. 37 ff dA).
Die Betreuer beantragten am 4. Mai 2016 die Genehmigung der Ausschlagung der Erbschaft nach Sigrun XXX durch die Betroffene (Bl.108, 113 der Akte). Die am 7.4.2016 verstorbene Erblasserin bestimmte ihre Enkel, zu denen die Betroffene gehört, mit Testament vom 6.2.1995 (Bl. 121 der Akte) zu ihren Erben. Der auf die Betroffene anfallende Erbteil beträgt ca. 60.000 EUR. Die Betreuer führen zur Begründung ihres Antrages aus, dass die Betroffene in einer Einrichtung der Eingliederungshilfe lebe und Leistungen vom Sozialamt beziehe. Die anfallenden monatlichen Kosten betragen 7.465,20 EUR, wobei die Übernahme eines Teils dieser Kosten durch das Sozialamt streitig sei. Unter Berücksichtigung der sparsamen Lebensführung der Betroffenen und der Kosten für die Lebenshaltung, Versicherungen, für Wochenend- und Urlaubsfahrten würde das Erbe ca. 5–6 Monate für die Deckung der Kosten ausreichen. Die Betroffene habe daher nichts von einem Erbe. Ihre Geschwister als Erben können dagegen mit dem Geld tun und lassen, was sie möchten. Die Betreuer befürchten zudem, dass die Erbschaft zu weiteren Komplikationen führe, die reale Möglichkeit bestehe, dass die Betroffene Leistungskürzungen zu erwarten habe und es zudem zu einer Unruhe unter den Geschwistern kommen könne. Mit den Geschwistern der Betroffenen sei besprochen worden, dass diese sich verpflichten, die Betroffene nach der Erbausschlagung am Erbe teilhaben zu lassen indem sie Annehmlichkeiten, Gegenstände für den Haushalt, Wochenendausflüge, etwaige Urlaubskosten, aber auch etwaige Krankenkosten, die nicht von der Versicherung getragen würden, finanzieren werden. Insofern habe die Betroffene einen direkten und unmittelbaren Vorteil aus der Erbausschlagung. Ergänzend wird auf das Schreiben der Betreuer Bezug genommen (Bl. 108–112 der Akte).
Das Bezirksamt Lichtenberg von Berlin, Amt für Soziales, verwies in seiner Stellungnahme vom 26.5.2016 auf die Übernahme der Kosten für den Aufenthalt der Betroffenen in einer Einrichtung für behinderte Menschen durch die Allgemeinheit in Höhe von monatlich im Durchschnitt 6.500 EUR. Die Erteilung der Genehmigung zur Erbausschlagung sei daher sittenwidrig. Ergänzend wird auf vorgenannte Schreiben sowie das Schreiben vom 7.7.2016 verwiesen (Bl. 116,117, 131,132 der Akte). Die mit Beschluss vom 13.6.2016 bestellte Verfahrenspflegerin (Bl. 127 ff der Akte) sprach sich in ihren ausführlich begründeten Stellungnahmen vom 18.7.2016 sowie 27.9.2016 gegen die Genehmigung aus (Bl. 135 ff, 143 ff der Akte).
Das Amtsgericht Perleberg hat mit Beschluss vom 24.10.2016 die betreuungsgerichtliche Genehmigung zur Ausschlagung der Erbschaft nach der Erblasserin Siegrun XXX im Wesentlichen unter Bezugnahme auf die Stellungnahme der Verfahrenspflegerin versagt (Bl. 146 ff der Akte). Gegen den den Betreuern am 28.10. und 29.10.2016 sowie der Betroffenen am 2.11.2016 zugestellten Beschluss wenden sich die Betreuer wie die Betroffene mit ihrer am 7.11.2016 eingegangenen Beschwerde. Die Beschwerdeführer treten den Ausführungen der Verfahrenspflegerin sowie dem sich anschließenden Beschluss des Amtsgerichts entgegen. Sie rügen unter anderem die unterbliebene Kontaktaufnahme durch die Verfahrenspflegerin zu den Betreuern wie zu der Betroffenen. Des Weiteren führen sie unter Hinweis auf die Rechtsprechung zum sog. Behindertentestament sowie der Entscheidung des Bundesgerichtshofes zum Aktenzeichen IV ZR 7/10 aus, dass ihnen eine Gestaltungsmöglichkeit offenstehe, die es ermögliche, dass Menschen mit Behinderung staatliche Leistung zustehen und aus einem Erbe weitere Annehmlichkeiten zuflössen. Zudem sei zu berücksichtigen, dass das Testament zu einem Zeitpunkt erstellt worden sei, als die Behinderung noch nicht diagnostiziert gewesen sei. Zudem sei die Erbmasse so gering, dass lediglich einige Monate der Bedarf der Betroffenen gedeckt werden könne. Ergänzend wird auf die Beschwerdeschrift vom 7.11.2016 verwiesen (Bl. 182 ff der Akte).
Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 13.3.2017 nicht abgeholfen und die Sache dem Landgericht zur Entscheidung vorgelegt (Bl. 215 dA).
Aus den Gründen
1. Die Beschwerde gegen die vom Rechtspfleger getroffene Entscheidung ist gemäß §§ 58 ff. FamFG, § 11 Abs. 1 RPflG statthaft, sie ist form- und fristge...