Nach der Rechtsprechung des OLG Frankfurt können Gutachten zur Testierfähigkeit in der Regel erst postum erstellt werden, zuvor besteht kein schutzwürdiges Interesse seitens der gesetzlichen Erben. Die bloße Möglichkeit, Erbe zu werden, ist kein Rechtsverhältnis gem. § 256 ZPO, und zwar auch dann nicht, wenn die Aussicht, Erbe zu werden, im Rahmen der allgemeinen Lebenserfahrung zu erwarten ist.
Die Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens ist geboten, wenn konkret begründete Zweifel an der Testierfähigkeit des Erblassers gegeben sind, wobei dem Sachverständigen alle hierzu erreichbaren Unterlagen vorgelegt werden müssen.
Die postume Begutachtung des Testators ist alleine durch den psychiatrischen Sachverständigen möglich. Dieser muss sich regelmäßig auf die Aussagen von Zeugen verlassen, kann Schriftstücke und das Testament heranziehen und auch das Schriftbild und den auffälligen Text innerhalb des Testaments heranziehen und begutachten. Letzteres kann Rückschlüsse auf den Geisteszustand des Erblassers zulassen, insbesondere bei grammatischen bzw. Satzbaufehlern.
Die Rechtsprechung stellt aufgrund des Grundsatzes, dass eine Störung der Geistestätigkeit die Ausnahme bildet, mannigfaltige Anforderungen an die Prüfung seitens eines Sachverständigen:
Testierunfähig ist zum einen derjenige, dessen Erwägungen und Willensentschlüsse nicht mehr auf einer dem allgemeinen Verkehrsverständnis entsprechenden Würdigung der Außendinge und Lebensverhältnisse beruhen, sondern durch krankhaftes Empfinden oder krankhafte Vorstellungen und Gedanken derart beeinflusst werden, dass sie tatsächlich nicht mehr frei sind, sondern vielmehr von diesen krankhaften Einwirkungen beherrscht werden, wobei ausreichend ist, dass diese Motive die Errichtung einer letztwilligen Verfügung entscheidend beeinflussen. Zum anderen auch derjenige, der nicht in der Lage ist, sich über die für und gegen seine letztwillige Verfügung sprechenden Gründe ein klares, von krankhaften Einflüssen nicht gestörtes Urteil zu bilden und nach diesem Urteil frei von Einflüssen etwaiger interessierter Dritter zu handeln.
Für die Feststellung der Testierfähigkeit reicht es nicht aus, dass der Testierende in der Lage ist, die eigenen Bezugspersonen und einfache Sachverhalte zu erkennen, seine Wünsche zu äußern oder eine Meinung zu artikulieren. Vielmehr muss es ihm bei Testamentserrichtung möglich sein, sich an Sachverhalte und Ereignisse zu erinnern, Informationen aufzunehmen, Zusammenhänge zu erfassen und Abwägungen vorzunehmen und den zugrundeliegenden Lebenssachverhalt zu bewerten.
Eine Begutachtung der Testierfähigkeit sollte in der Regel in zwei Schritten erfolgen: Zum einen sollte der Grad und das Ausmaß der nachweisbaren psychopathologischen Auffälligkeiten ermittelt, zum anderen das Gesamtbild der Persönlichkeit in der fraglichen Zeit gewürdigt werden. Es wird dabei zwischen der nosologisch-diagnostischen Ebene, d. h. der Feststellung der Krankheit an sich, und der psychopathologischen Ebene, d. h. der Feststellung der psychischen Auffälligkeiten im vorliegenden Fall, unterschieden. Der Sachverständige muss zunächst seine diagnostische Einschätzung und deren Wahrscheinlichkeit in seinem Gutachten angeben und begründen. Bei Vorliegen einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit ist im nächsten Schritt zu prüfen, ob und inwieweit der Schweregrad der nachweisbaren psychopathologischen bzw. neuropsychologischen Symptome ausreicht, um eine Testierunfähigkeit zu begründen. Es sind durch den Sachverständigen psychische Auffälligkeiten aus den ihm vorgelegten Unterlagen sowie eventuell nach Zeugenaussagen dokumentiert herauszuarbeiten, wobei eine Prüfung dahingehend erfolgen muss, ob krankhafte Empfindungen und Vorstellungen die Bestimmbarkeit des Willens durch normale, vernünftige Erwägungen aufgehoben haben und ob und inwieweit sie für oder gegen eine freie Willensbestimmung sprechen. Auf die besonderen Schwierigkeiten der Begutachtung von Personen mit zerebralen Sprachstörung (Aphasien), die eine Beurteilung kognitiver Störungen hinsichtlich ihres Einflusses auf die Testierfähigkeit deutlich erschweren können, wird hingewiesen.