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Die ersten Probleme bei der Annäherung an dieses Thema bestehen bereits in der Beantwortung der Frage, was Erbschleicherei eigentlich dem Grunde nach ist. Der Begriff scheint insbesondere in der nicht wissenschaftlichen Literatur quasi in aller Munde zu sein, ohne dass hier eine Definition gegeben wird. Fundierte wissenschaftliche Untersuchungen zu diesem Thema finden sich nur wenige.
1. Einführung
Nach Meyers Lexikon ist ein Erbschleicher jemand, der auf unmoralische Weise Einfluss auf einen vermutlichen Erblasser nimmt, wobei die Erbschleicherei als solche nicht strafbar und selten anfechtbar sein soll. Ähnliche Begriffsbestimmungen finden sich auch im Duden und im Etymologischen Wörterbuch wieder. Ohne auf Einzelheiten zu Fragen von Moral und Recht eingehen zu wollen, wird doch rasch deutlich, dass mit dem Begriff der Erbschleicherei eine (vermeintlich) nicht gerechtfertigte Zuwendung des Erblassers von Todes wegen oder unter Lebenden an Dritte verstanden wird.
Für die Annäherung an dieses Thema wird jedoch nicht der o. g. Populärbegriff der Erbschleicherei verwendet, da dieser nicht präzise genug erscheint. Nachfolgend wird, soweit es um die sog. Erbschleicherei geht, davon ausgegangen, dass jemand Erbschleicher ist, der in rechtlich unzulässiger Weise Einfluss auf den Erblasser ausübt, um sich oder Dritten einen Vermögensvorteil zu verschaffen.
Der Schwerpunkt dieser kurzen Ausarbeitung liegt ferner auf dem Schutz im Hinblick auf die Errichtung von sog. Erbschleichern begünstigenden letztwilligen Verfügungen. Der Schutz vor prämortalen Verfügungen kann ebenfalls nur am Rande behandelt werden. Die nachfolgende Ausarbeitung ist demnach als Kurzzusammenfassung für das sehr komplexe Thema zu verstehen.
Nachfolgend soll zunächst auf die derzeitige zivilrechtliche Rechtslage eingegangen werden. Ein kurzer strafrechtlicher Exkurs soll die Abhandlung abschließen.
2. Erbschleicherei de lege lata et de lege ferenda
2.1 Vorkehrungen des Gesetzgebers z. B. durch § 2065 BGB und § 2229 BGB
Die Testierfreiheit aus Art. 14 Abs. 1 GG wird durch das Verbot aus § 2065 BGB erheblich eingeschränkt. Danach kann der Erblasser eine letztwillige Verfügung nicht in der Weise treffen, dass ein anderer zu bestimmen hat, ob sie gelten oder nicht gelten soll. Ebenso kann er die Bestimmung der Person, die eine Zuwendung erhalten soll, sowie die Bestimmung des Gegenstands der Zuwendung nicht einem anderen überlassen.
Die Rechtfertigung dieser Einschränkung der Testierfreiheit wurde u. a. mit der Verhinderung der Erbschleicherei begründet.
Der Schutz durch § 2065 BGB ist objektiver Natur, weil ein Dritter bereits aufgrund der Fassung des Testaments die Unwirksamkeit der Verfügung erkennen könnte. Die eigentliche Erbschleicherei spielt sich aber vielmehr auch subjektiver Ebene ab, wonach der Verfügungswille manipuliert wird. Die Problematik liegt in der Beweisführung, wann denn die Grenze des unzulässigen Eingriffs in den Willen des Erblassers überschritten ist. Damit ist man automatisch bei der Frage der Testierunfähigkeit.
Die Testierunfähigkeit nach § 2229 Abs. 4 setzt voraus, dass
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der Testierende dauernd oder vorübergehend geisteskrank, geistesschwach (dies entspricht der krankhaften Störung der Geistestätigkeit nach § 104 Nr. 2) oder bewusstseinsgestört (dies entspricht der Bewusstlosigkeit nach § 105 Abs. 2) ist (diagnostische Ebene) und dass dieser Zustand so schwer ist, dass er dadurch |
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unfähig ist, die Bedeutung einer testamentarischen Willenserklärung nach Inhalt und Tragweite zu erkennen – Einsichtsvermögen – und vor allem, |
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nach dieser Einsicht zu handeln – freie Willensbestimmung – (Ebene der psychopathologischen Symptomatik bzw. der psychisch-geistigen Funktionsdefizite). |
Im Rahmen der Erbschleicherei sind weniger die Problemkreise der krankhaften Störungen der Geistestätigkeit von Interesse als vielmehr der Komplex der freien Willensbestimmung.
Nach Cording kommt es für eine freie Willensbildung darauf an, ob eine freie Entscheidung aufgrund einer Abwägung des Für und Widers und einer sachlichen Prüfung der in Betracht kommenden Gesichtspunkte und ein dementsprechendes Handeln möglich ist oder ob der Erblasser infolge krankhafter Geistesstörung fremden Willenseinflüssen unterliegt oder sein Wille durch unkontrollierte Triebe und Vorstellungen beherrscht wird.
Grundsätzlich ist aber die Mitwirkung eines Dritten bei der Testamentserrichtung bedenkenlos, sofern nicht in unzulässiger Weise auf den Willen des T...