Entscheidungsstichwort (Thema)
Testierunfähigkeit
Leitsatz (amtlich)
Zum Vorliegen der Voraussetzungen für die Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens durch die Tatsacheninstanz zur Feststellung der Testierfähigkeit des Erblassers.
Normenkette
HeimG § 14; BGB §§ 2078, 2229 Abs. 4, §§ 2258, 2271 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Augsburg (Beschluss vom 22.07.1999; Aktenzeichen 5 T 3211/97) |
AG Aichach (Aktenzeichen VI 572/94) |
Tenor
I. Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2 gegen den Beschluß des Landgerichts Augsburg vom 22. Juli 1999 wird zurückgewiesen.
II. Der Beteiligte zu 2 hat der Beteiligten zu 1 die ihr im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.
III. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf DM 32.295,– festgesetzt.
Tatbestand
I.
Der kurz vor Vollendung des 98. Lebensjahres verstorbene Erblasser war verwitwet und hatte keine Kinder. Seine Ehefrau ist 1983 vorverstorben. Der Beteiligte zu 2 ist ein Neffe des Erblassers.
Der Erblasser, der seit 17.12.1992 in einem Seniorenheim in A. lebte und über erhebliches Wertpapiervermögen verfügte, verfaßte zwischen 1979 und 1994 zahlreiche letztwillige Verfügungen:
Mit privatschriftlichem gemeinschaftlichem Testament vom 7.4.1979 mit Nachtrag vom 26.8.1981 setzten sich der Erblasser und seine Ehefrau ohne Bindung an die Schlußerbeneinsetzung gegenseitig zu Alleinerben, den Beteiligten zu 2 und dessen Ehefrau sowie deren Kinder zu Ersatzerben ein. Zugunsten karitativer Einrichtungen ordnete er Vermächtnisse an.
Nach dem Tod seiner Ehefrau verfaßte er eine Reihe weiterer Testamente, in denen er zumeist den Beteiligten zu 2 zum Erben einsetzte und Zuwendungen an karitative Einrichtungen, aber auch an die Stadt A. zugunsten wohltätiger Zwecke verfügte.
Mit notariellem Testament vom 14.7.1992 setzte der Erblasser den Beteiligten zu 2 als seinen Alleinerben ein und bestimmte dessen Abkömmlinge zu Ersatzerben. Als Vermächtnisnehmer waren die Kinder des Beteiligten zu 2 sowie zwei karitative Einrichtungen vorgesehen.
Am 4.3.1993 errichtete der Erblasser ein notarielles Testament, in dem er alle früheren Verfügungen von Todes wegen widerrief und die Stadt A. (Beteiligte zu 1) als seine Alleinerbin einsetzte. In Ziff. III der Urkunde heißt es:
Die Erbeinsetzung erfolgt unter der Auflage, daß die Stadt A. den Erlös aus dem Verkauf der zum Nachlaß gehörenden Wertpapiere und sonstiges Barvermögen den in der Stadt A. lebenden Armen zugute kommen läßt. Dabei hat die Stadt A. das Geld nach freiem Ermessen für soziale und caritative Maßnahmen in der Stadt zu verwenden, die vor allem den älteren Bürgern der Stadt zugute kommen.
Beispielsweise werden genannt:
- Verbesserung der Einrichtung und Ausstattung der Altenheime in der Stadt, ohne Rücksicht auf die Trägerschaft.
- Unterstützung älterer bedürftiger Menschen, in Notgeratener Familien und caritativer Hilfsdienst.
Ausdrücklich nicht gewünscht wird ein finanzieller Bei- trag zu den Kosten des Neubaus des Altersheimes …. Die Entscheidung über die Verwendung des Geldes hat allein der jeweilige Bürgermeister der Stadt A. zu treffen.
Mit notariellem Vertrag vom selben Tag schenkte der Erblasser der Beteiligten zu 1 sein gesamtes Wertpapiervermögen (Kurswert 31.12.1992: DM 373.310,–) mit Ausnahme einer Anleihe in Höhe von DM 80.000,–. Die Schenkung erfolgte unter der Auflage, daß die Beteiligte zu 1 den Wertpapiererlös den in der Stadt A. lebenden Armen zugute kommen läßt. Die Stadt A. solle mit dem Geld zunächst die Anschaffung einer „automatischen Badewanne” im Seniorenheim finanzieren. Im übrigen sollte die Beteiligte zu 1 das Geld nach freiem Ermessen für soziale und karitative Maßnahmen in der Stadt verwenden, die vor allem den älteren Bürgern der Stadt zugute kommen. Der weitere Text der Auflage entspricht dem in Ziff. III des notariellen Testaments vom selben Tag.
Mit notariellen Testamenten vom 22.7.1993 und 8.10.1993 ergänzte der Erblasser das Testament vom 4.3.1993 und beschwerte die Beteiligte zu 1 durch Aussetzung verschiedener Vermächtnisse. Das Testament vom 22.7.1993 widerrief er.
Schließlich widerrief der Erblasser mit notariellem Testament vom 25.1.1994 auch die im Testament vom 8.10.1993 angeordneten Vermächtnisse und verfügte, daß nur noch das Testament vom 4.3.1993 Gültigkeit habe. Zugleich beschwerte er die Beteiligte zu 1 als Erbin mit einem Vermächtnis, nach dem von seinem Geldvermögen jeweils 1/4 eine Großnichte, das Katholische Pfarramt A. und die Arbeiterwohlfahrt Bezirksverband … zur freien Verfügung des jeweiligen Heimleiters des Seniorenheimes in A. zugunsten der Heimbewohner erhalten sollten.
Am 11.8.1994 beantragte der Beteiligte zu 2 und mit Schreiben vom 30.8.1994 der Leiter des Seniorenheims die Errichtung einer Betreuung für den Erblasser. Dieser erlitt am 27.8.1994 einen Schlaganfall und mußte zur stationären Behandlung ins Krankenhaus eingeliefert werden. Dort wurde er von der im Betreuungsverfahren bestellten Gutachterin am 2.9.1994 und vom Vormunds...