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Aufgrund der überalternden Gesellschaft bei gleichzeitig ansteigender Altersarmut kommen auch überschuldete oder/und zahlungsunfähige Nachlässe nicht selten vor. Laut Mitteilung des statistischen Bundesamtes wurden im Jahr 2015 insgesamt 2.969 Insolvenzanträge über das Vermögen von Nachlässen gestellt. In immerhin 1.512 Fällen kam es zur Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens. Fundiertes Grundwissen auch zum Insolvenzrecht sollte daher bei den Nachlasspflegern und -verwaltern, den Testamentsvollstreckern und den beratend tätigen (Erbrechts-)Anwälten ebenfalls vorhanden sein. Nicht nur um in diesem wirtschaftlich nicht uninteressanten Bereich (beratend) agieren zu können; sondern auch, um dies optimal und bestenfalls ohne persönliche Haftung zu tun. Denn "das" Nachlassinsolvenzverfahren als Rechtsinstitut kommt genauso wenig, wie nicht solvente Nachlässe an sich, in der Praxis weder mit dem Insolvenzrecht noch den Vorschriften des 5. Buches des BGB alleine aus. Vielmehr ist eine Schnittmenge aus beiden Rechtsgebieten erforderlich. Dem soll der vorliegende Beitrag die §§ 315 ff InsO betreffend gerecht werden und einen ersten Überblick verschaffen:
I. Einleitung, insbesondere wirtschaftliche Bedeutung
Die Stellung eines Antrags auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ist für natürliche Personen fakultativ möglich, für juristische Personen regelmäßig obligatorisch (§§ 11, 15 a). Ziel eines Regelinsolvenzverfahrens ist, ein "Windhunderennen" der einzelnen Gläubiger um die Vermögenswerte des Schuldners zu verhindern oder zu beenden, ggf. ein Unternehmen zu sanieren und auf diesem Weg im Gesamtergebnis die Gläubiger gemeinschaftlich bestmöglich zu befriedigen. Zudem ermöglicht die Insolvenzordnung dem redlichen Schuldner die Befreiung von den restlichen Verbindlichkeiten (§ 1) und schafft dadurch eine Motivationslage, sich unter den Schutz des Insolvenzrechts per – bestenfalls rechtzeitig gestelltem – Insolvenzantrag zu stellen.
Doch wie hat der Gesetzgeber die Insolvenzordnung hinsichtlich insolventer Nachlässe positioniert? Um hierauf eine Antwort zu finden, ist insbesondere der zehnte Teil der Insolvenzordnung (§§ 315–331) heranzuziehen. Er enthält Sonderregelungen für das Nachlassinsolvenzverfahren. Im Übrigen finden die allgemeinen Vorschriften der §§ 1 ff auch auf das Nachlassinsolvenzverfahren Anwendung. Ergänzend kommen selbstverständlich die einschlägigen Normen des BGB wie die §§ 1987 ff zur Anwendung.
II. Zweck des Nachlassinsolvenzverfahrens und Insolvenzantrag
1. Zweck des Nachlassinsolvenzverfahrens
Der Gesetzgeber verfolgt mit dem Nachlassinsolvenzverfahren zwei Zwecke. Erster Zweck: Der Nachlass, charakterisiert als Sondervermögen, soll durch die Insolvenzeröffnung vom (originären) Eigenvermögen des Erben abgegrenzt werden. Zwar geht gem. § 1922 BGB der Nachlass auf den Erben mit der Folge über, dass dieser, neben dem Nachlassvermögen, den Nachlassgläubigern unbeschränkt mit seinem Vermögen haftet (§ 1967 BGB). Jedoch führt die Insolvenzeröffnung zu einer Begrenzung der Haftung auf den Nachlass (§ 1975 BGB aE). Zweiter Zweck: Das Nachlassinsolvenzverfahren dient der gleichmäßigen (quotalen) Befriedigung der Nachlassgläubiger (§ 1 S. 1 iVm §§ 315 ff).
2. Der Insolvenzantrag
a) Allgemeine Voraussetzungen
Jedes Insolvenzverfahren setzt gem. § 13 Abs. 1 S. 1 einen schriftlichen Insolvenzantrag voraus. So auch ein Nachlassinsolvenzverfahren. Nahezu selbstverständlich sollte zu Eingang des Antrags klargestellt werden, dass es sich bei dem vorliegenden Antrag nicht um den Antrag in einem Regel- oder Verbraucherinsolvenzverfahren, sondern um den Antrag auf Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens iSd §§ 315 ff handelt. Ein bundesweit für Nachlassinsolvenzverfahren einheitlich zu verwendendes Antragsformular hat das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz bisher entgegen § 13 Abs. 3 nicht eingeführt. Dies ist in der Praxis nicht minder misslich: Zeigt sich doch seit der Einführung bzw. Neufassung des § 13 Abs. 1, dass bis zu 90 % der Insolvenzanträge durch die Gerichte beanstandet werden. Hintergrund dessen ist, dass nach dieser Neufassung jedenfalls bei nicht eingestelltem Geschäftsbetrieb besondere Angaben zu der höchsten (gesicherten) Forderung, Forderungen der Finanzverwaltung etc. zu ...