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Immer wieder entsteht in der Praxis das Bedürfnis, bei unwirksamen letztwilligen Verfügungen durch Umdeutung dem Erblasserwillen zur Geltung zu verhelfen. Insbesondere bei wechselbezüglichen gemeinschaftlichen Testamenten treten hier vermehrt Probleme auf. Grund hierfür ist oftmals, dass im Rahmen der Umdeutung die Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments verkannt wird. In der jüngsten Rechtsprechung belegen dies die Beschlüsse des OLG München vom 27.1.2016 und des OLG Düsseldorf vom 19.2.2016. Das OLG Düsseldorf geht in seinem Beschluss detailliert auf eine etwaige, der Umdeutung entgegenstehende, Bindung ein und stellt zutreffend fest, dass eine solche nicht gegeben ist. Das OLG München hingegen setzt sich mit dem Umstand einer möglichen Bindung nicht auseinander und gelangt durch die Umdeutung zu einem die Bindung missachtenden Ergebnis.
A. Umdeutung
Das Mittel der Umdeutung darf grundsätzlich erst dann eingesetzt werden, wenn alle Formen der Auslegung scheitern. Nach allgemeiner Meinung werden letztwillige Verfügungen ohne besondere Voraussetzungen gemäß § 140 BGB umgedeutet. Der erbrechtliche Charakter führt im Grundsatz zu keinen Besonderheiten. Gegenstand der Umdeutung sind jedoch nur von Anfang an unwirksame Verfügungen. Beruht die Unwirksamkeit auf einem nach der Errichtung hinzutretenden Umstand, scheidet die Umdeutung aus. Es bleibt nur noch die ergänzende Auslegung. Die Ersatzverfügung muss wirksam sein, inhaltlich dem wirtschaftlichem Interesse des Erblassers, welches er mit der ursprünglichen Verfügung verfolgt hat, entsprechen und darf rechtlich in ihrer Wirkung nicht über die ursprüngliche Verfügung hinausgehen. Entscheidend ist, dass sie dem hypothetischen Willen des Erblassers im Errichtungszeitpunkt entsprochen hätte, hätte dieser um den Mangel der ursprünglichen Verfügung gewusst. Weiterhin darf sich die Ersatzverfügung nicht als Umgehungsgeschäft hinsichtlich einer die Nichtigkeit der ursprünglichen Verfügung anordnenden Rechtsnorm darstellen.
Liegen diese Voraussetzungen vor, können grundsätzlich auch gemeinschaftliche Testamente umgedeutet werden. Die etwaige Bindung wechselbezüglicher Verfügungen darf hierbei aber nicht missachtet werden. Diese beruht im Wesentlichen auf dem Nichtigkeitszusammenhang nach § 2270 Abs. 1 BGB. Dieser ist jedoch nicht zwingend, sondern kann durch die testierenden Ehegatten abgemildert oder ganz aufgehoben sein. Entscheidend ist dabei der Wille der Ehegatten, sodass auch noch nachträglich im Wege der Auslegung zu einem Ausschluss der Bindung gelangt werden kann. Fraglich ist dann allerdings, ob es sich tatsächlich noch um wechselbezügliche Verfügungen handeln kann, da im Nichtigkeitszusammenhang gerade das Wesen der Wechselbezüglichkeit zum Ausdruck kommt. Die Verfügungen sollen nicht für sich alleine stehen, sondern stehen derartig zueinander in Beziehung, dass sie nur im Zusammenhang bestehen sollen und nur im Zusammenhang dem Nachlassplan der Erblasser entsprechen.
B. Beschluss des OLG Düsseldorf
Im Beschluss des OLG Düsseldorf ging es nun um die Wirksamkeit letztwilliger Verfügungen, welche die Erblasserin in einem gemeinschaftlichen Testament wechselbezüglich mit ihrem Ehegatten errichtet hatte. Diese seien – so das Gericht – im Wege der Umdeutung als Einzelverfügungen aufrecht zu erhalten, falls der Ehegatte, wie vorgetragen, zum Errichtungszeitpunkt testierunfähig gewesen und das gemeinschaftliche Testament daher unwirksam sei.
Problematisch war hier allerdings, dass die Ehegatten schon Jahre zuvor ein gemeinschaftliches Testament mit wechselbezüglichen Verfügungen errichtet hatten, von welchen nunmehr im zuletzt errichteten Testament abgewichen wurde. Im Fall der vorgetragenen Testierunfähigkeit des Ehegattens wäre davon zunächst auszugehen gewesen, dass seine wechselbezüglichen Verfügungen unwirksam sind. Dann wären die alleinstehenden wechselbezüglichen Verfügungen der Erblasserin entweder infolge des Nichtigkeitszusammenhangs nach § 2270 Abs. 1 BGB ebenfalls unwirksam gewesen. Oder sie bestünden, falls im Rahmen der Auslegung festzustellen war, dass ein strikter Nichtigkeitszusammenhang nach § 2270 Abs. 1 BGB nicht gewollt war, erst einmal als Einzelverfügungen fort.
In letzterem Fall wäre aber Folgendes zu berücksichtigen: War das jüngere gemeinschaftliche Testament infolge der Testierunfähigkeit des Ehegatten unwirksam, so musste automatisch das ältere gemeinschaftliche Testament wieder aufleben. Mit der Unwirksamkeit des jüngeren gemeinschaftlichen Testaments fällt nämlich denknotwendig auch dessen widerrufende Wirkung gegenüber dem älteren gemeinschaftlichen Test...