“Die Berufung des Klägers hat teilweise Erfolg.
Der Kläger hat gegen die Beklagten unter Berücksichtigung der bereits vorprozessual gezahlten 5.159,25 EUR einen Anspruch auf Zahlung von weiteren 2.579,63 EUR nach § 823 BGB, §§ 7, 18 StVG i.V.m. § 3 PflVG. Die Beklagten haften für die Schäden des Klägers aus dem Verkehrsunfall vom 10.1.2006 zu 75 %, § 17 Abs. 1 StVG.
Unter Zugrundelegung des sich aus dieser Quote ergebenden Schadensersatzanspruchs kann der Kläger ferner die Freistellung von Anwaltskosten in Höhe von 123,96 EUR beanspruchen.
1. § 6 StVO beinhaltet nicht nur eine Regelung darüber, welches Fahrzeug zuerst an einer Engstelle vorbeifahren darf, wenn beim Passieren der Engstelle nicht mehr genug Platz für zwei nebeneinander befindliche Fahrzeuge verbleibt. D.h., die Vorschrift ist nicht erst dann einschlägig, wenn der am Hindernis Vorbeifahrende den Gegenverkehr wahrgenommen hat. Vielmehr ergeben sich aus § 6 StVO auch dieser Situation vorausgehende Sorgfaltspflichten des wartepflichtigen Fahrzeuges, auf dessen Fahrbahn sich das Hindernis befindet. Denn der Wartepflichtige kann seiner Wartepflicht nur dann sinnvoll nachkommen, wenn die nachfolgend beschriebenen Sorgfaltspflichten beachtet werden: Danach muss der Wartepflichtige vor einer unübersichtlichen Engstelle besonders vorsichtig prüfen, ob das Vorbeifahren den Gegenverkehr behindern würde. Ist an einer unübersichtlichen Engstelle Gegenverkehr nicht erkennbar, so darf nur mit größter Vorsicht an einem Hindernis unter Benutzung der Gegenfahrbahn vorbeigefahren werden, unter Umständen ist Schrittgeschwindigkeit einzuhalten, sodass bei Auftauchen eines entgegenkommenden Fahrzeuges sofort angehalten werden kann, d.h. wenn beim Vorbeifahren am Hindernis an unübersichtlicher Stelle jederzeit Gegenverkehr auftauchen kann, so muss der Vorbeifahrende sofort anhalten oder die Gegenfahrbahn räumen können (vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl., § 6 StVG Rn 4 m.w.N.). Es ist also der Wartepflichtige, der im besonderen Maße zur Vorsicht verpflichtet ist; dazu gehört, dass er bei Annäherung an die Engstelle die eigene Geschwindigkeit herabsetzt und beobachtet, ob nicht Gegenverkehr naht, vgl. OLG Karlsruhe, DAR 1989, 106.
Bei Beachtung der danach erforderlichen Sorgfalt hätte der Beklagte zu 1) in Anbetracht der Unübersichtlichkeit der Engstelle und der winterlichen Straßenverhältnisse seine Geschwindigkeit so herabsetzen müssen, dass es ihm jederzeit möglich gewesen wäre, umgehend zum Stehen zu kommen, was im konkreten Fall tatsächlich Schrittgeschwindigkeit bedeutet hätte.
2. Allerdings obliegen nicht nur dem Wartepflichtigen Sorgfaltspflichten – auch wenn er in erster Linie die Pflicht zur Prüfung hat, ob ein behinderungsfreies Passieren der Engstelle möglich ist, OLG Karlsruhe a.a.O. –, sondern auch der Bevorrechtigte hat Sorgfaltspflichten, die sich aus § 1 StVO (Gebot der allgemeinen Rücksichtnahme) und § 11 StVO ergeben, wonach in besonderen Verkehrslagen der an sich vorrangige Fahrer auf sein Recht verzichten muss. Bei der hier vorliegenden Verkehrssituation (unübersichtliche Kurve, parkende Fahrzeuge auf der Gegenfahrbahn) musste auch der Kläger mit Gegenverkehr auf seiner Fahrbahnseite rechnen. Angesichts der Glätte wäre daher noch ein weiteres Herabsetzen der Geschwindigkeit erforderlich gewesen, um gegebenenfalls schnell zum Stehen zu kommen, vgl. zur Mithaftung in dieser Situation Henschel, a.a.O. Dieses war bei der vom Kläger selbst vorgetragenen Geschwindigkeit von 20 bis 25 km noch nicht der Fall.
3. Im Hinblick darauf, dass es in erster Linie der Wartepflichtige ist, der die Pflicht zur Prüfung hat, ob ein behinderungsfreies Passieren der Engstelle möglich ist (s.o.), hält der Senat eine Haftungsverteilung von 75 % ./. 25 % für angemessen, da sie den größeren Pflichtenverstoß des Beklagten zu 1) deutlich zum Ausdruck bringt.
4. Die von ihm selbst in Abrede gestellte Äußerung des Klägers nach dem Unfall gegenüber den aufnehmenden Polizisten, er habe “zu spät gebremst’, spielt für die Entscheidung des vorliegenden Falles ohnehin keine Rolle.
Zwar sind Äußerungen zum Unfallhergang, die von Unfallbeteiligten unmittelbar nach dem Unfall gemacht werden, insofern von Bedeutung, als in der Regel davon ausgegangen werden kann, dass diese Aussagen noch nicht von tiefergehenden Überlegungen darüber geprägt sind, ob ein Umstand sich günstig oder ungünstig auf die Haftung auswirken könnte. Allerdings gilt dieses nicht für Äußerungen, die nur Ausdruck eines subjektiven Empfindens sind und eine reine Bewertung darstellen, da diese Äußerungen zum einen oft noch vom Unfallerleben geprägt sind und es im Übrigen nicht Sache der Beteiligten, sondern des Gerichts ist, die Schuldfrage zu klären.“
Mitgeteilt von RA Bodo K. Seidel, Berlin