1. In dem Europäischen Übereinkommen über die obligatorische Haftpflichtversicherung für Kfz v. 20.4.1959 (BGBI. II 282) wurde bestimmt, dass in Schadensfällen, in denen die Haftung eines anderen gegeben ist, und wenn die zivilrechtlich haftpflichtigen Personen nicht ermittelt werden können, die Geschädigten Schadensersatz erhalten. Das bot Veranlassung, den seit 1955 bestehenden Fahrerfluchtfonds durch die Einräumung eines Rechtsanspruchs gegen den neu gegründeten Verein Verkehrsopferhilfe umzugründen (vgl. zu dem Vertrag zwischen dem HUK-Verband und dem Verein Verkehrsopferhilfe e.V. VersR 1963, 1010; eingehend Elvers, in: Halm/Himmelreich, Handbuch des Fachanwalts Verkehrsrecht, 1. Aufl., S. 1258 ff.).

Die Entscheidung macht die Schwierigkeit bei der Durchsetzung der etwaigen Ansprüche Geschädigter gegen den Entschädigungsfonds nach § 12 PflVG, der in Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben gegründet worden ist, deutlich. Die fehlende Ermittelbarkeit des Schädigers dürfte geradezu der Regelfall des § 12 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 PflVG sein. Der von Anfang an geäußerten Befürchtung, die Bestimmung des § 12 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 PflVG werde Betrugsversuche herausfordern (vgl. Deiters, VersR 1986, 213), wurde zunächst zum Anlass genommen, Fahrzeugschäden nicht zu ersetzen (vgl. § 12 Abs. 2 PflVG a.F.), wobei darauf hingewiesen wurde, das jeder selbst verursachte Parkschaden als Fremdschaden angemeldet werde.

2. Inzwischen sind Fahrzeugschäden ersetzbar, aber das gilt nach Abzug des Selbstbehaltes nur dann, wenn gleichzeitig beim Ersatzberechtigten eine erhebliche Verletzung eingetreten ist. Auch bezüglich des Schmerzensgeldes wird eine Einschränkung vorgenommen: es muss eine besonders schwere Verletzung vorliegen, was nur dann der Fall ist, wenn die Verletzung deutlich und drastisch über das hinausgeht, was bei täglichen Unfällen im Straßenverkehr auftritt (vgl. LG Hamburg VersR 1977, 581 f.; LG Darmstadt VersR 1980, 365; Eckhardt, VersR 1970, 1090, 1092; eingehend Feyock/Lemor/Jacobsen, Die Kraftfahrtversicherung, 3. Aufl. 2009, § 12 PflVG Rn 91 ff. und 95 ff.).

3. Zu der Frage des Anspruchsumfangs gelangt die Prüfung jedoch erst, wenn die materiellen Voraussetzungen des Anspruchs nach § 12 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 PflVG nachgewiesen sind. Die von dem Anspruchssteller behauptete Konstellation des unbekannt gebliebenen Unfallverursachers ist geradezu der Musterfall eines Anspruchsstellers in Beweisnot. Wären Zeugen vorhanden, wäre bei zutreffendem und wahrgenommenem Kennzeichen des Schädigerfahrzeugs eine fehlende Ermittlungsmöglichkeit nicht gegeben. Die Entscheidung teilt auch mit, dass die eigene Unfalldarstellung des angeblich Geschädigten für den Nachweis der Unfallbeteiligung eines unbekannt gebliebenen Schädigers nicht ausreiche. Damit wird trotz der Beweisnot des angeblich Geschädigten – anders als bei behaupteten Diebstählen in der Kfz-Kaskoversicherung (vgl. BGH zfs 1995, 340) – eine Beweiserleichterung nach Anhörung gem. § 141 ZPO nicht für erfolgversprechend gehalten. Das mag darauf beruhen, dass die versuchte Unterschiebung eines selbst verschuldeten Schadens eine naheliegende Gefahr der Rechtswohltat des § 12 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 PflVG ist.

4. Weiterhelfen wird dem angeblich Geschädigten meist auch nicht die Einholung eines Gutachtens, das im günstigsten Falle die Feststellung treffen wird, dass seine Darstellung mit den objektiv noch vorhandenen Spuren vereinbar ist, keineswegs aber ausschließt, dass sich der behauptete Unfall auch aufgrund eines Fahrfehlers ereignet haben kann. An dem Beweismaß des § 286 ZPO, dem der Anspruchssteller genügen muss (vgl. Sieg, VersR 1967, 324, 327, ders., VersR 1970, 681, 682 f.; Weber, DAR 1987, 338; vgl. auch LG Koblenz VersR 2005, 1725) wird seine Anspruchserhebung im Regelfall scheitern.

5. Ob eine bei erheblicher Verletzung getroffene Angabe gegenüber den unfallaufnehmenden Polizeibeamten zur Beteiligung eines nicht bekannten Dritten an dem Eintritt des Unfalls den erforderlichen Anfangsbeweis für eine Parteivernehmung des Geschädigten begründet, ist mangels objektiver Anhaltspunkte zweifelhaft. Dafür spricht es aber, dass der Kl. trotz erheblicher Verletzung diese Angabe machte und dies in einer Situation, die für die Wahrheit seiner Schilderung spricht.

RiOLG a.D. Heinz Diehl

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