1) Die Bestimmung des Zeitpunktes des Verjährungsbeginns setzt entweder positive Kenntnis des Gläubigers von den den Lauf der dreijährigen Verjährungsfrist begründenden tatsächlichen Umständen oder grob fahrlässige Verkennung der Umstände voraus (§§ 195, 199 Abs. 1 BGB).
2) Dabei wird der Gläubiger nicht in der Weise überfordert, dass er erkennen konnte oder grob fahrlässig nicht erkannt hat, dass ihm ein Schadensersatzanspruch zusteht. Ihm wird nicht abverlangt, den Sachverhalt zutreffend rechtlich zu würdigen; maßgeblich ist allein, ob ihm die etwaigen rechtlichen Tatsachen bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben sind, die von den Gerichten geordnet schließlich einen Anspruch auf Schadensersatz ergeben (vgl. BGH NJW-RR 2008, 1237 Rn 17; BGH NJW 2009, 984 Rn 13; Staudinger/Peters/Jacoby, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Neubearbeitung 2010, § 199 Rn 62). Damit musste für den Fall der von dem Schuldner erhobenen Einrede der Verjährung von ihm der Nachweis geführt werden, dass und welche Tatsachen dem Gläubiger bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben sind (vgl. BGH NJW 1988, 1146; BGH NJW-RR 2005, 1148).
Die fehlende Notwendigkeit der rechtlichen Würdigung des Gläubigers des Schadensersatzanspruchs als bestehend erscheint sachgerecht, auch angesichts des Umstands, dass bis zum heutigen Tage Kontroversen darüber bestehen, ob ein Anspruch auf Schadensersatz gegeben ist, und bisher eine abschließende höchstrichterliche Stellungnahme hierzu fehlt. Hat sich ein Gericht festgelegt, dass ein Schadensersatzanspruch besteht, muss es anhand des Tableaus der diese rechtliche Schlussfolgerung rechtfertigenden tatsächlichen Umstände prüfen, ob und zu welchem Zeitpunkt diese tatsächlichen Umstände dem Gläubiger des Anspruchs bekannt gewesen sind.
Die Schwierigkeit, die diese Würdigung des Kenntnisstandes des Gläubigers des Ersatzanspruchs mit sich bringt, besteht in der Beweisbarkeit des Kenntnisstandes. Lässt sich der Gläubiger dahin ein, Informationen zu der Abgasmanipulation nicht zur Kenntnis genommen zu haben, weil er Informationsquellen aller Art (Zeitungen, Fernsehen, Internet) nicht nutzt, wird sich dies oft kaum widerlegen lassen. Sichere Kenntnis hatte der Gläubiger damit erst, nachdem ihm Aufforderungen zur Durchführung der Updates zugegangen sind und – was zum Vollbeweis ausreicht – er ein Update durchführen ließ. Die Zweifel des LG Trier, ob bei einem Zugang von Aufforderungsschreiben in einem Kalenderjahr wegen der in § 199 I BGB bestimmten Ultimo-Verjährung zum Jahresende drei Jahre später die Verjährung endete, sind naheliegend. Einschränkend wird eine Verpflichtung des Gläubigers zur Verhinderung des Beginns des Laufs der Verjährungsfrist durch Klageerhebung dann angenommen, wenn die Klageerhebung wegen unsicherer und zweifelhafter Rechtslage unzumutbar ist (vgl. BGH NJW 2017, 2986; Staudinger/Peters/Jacoby a.a.O.: § 199 Rn 84 a). Für den Verjährungsbeginn wird grds. darauf abgestellt, ob der Gläubiger durch die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis Klage erheben kann, wobei völlige Risikofreiheit nicht erforderlich ist (vgl. BGH NJW 1990, 2806; MüKo/Grothe, Bürgerliches Gesetzbuch, 8. Auflage, § 199 Rn 28 m.w.N.). Die jedenfalls noch im Jahre 2016 und später auch in der Rechtsprechung geführte, in den Ergebnissen abweichende Diskussion zur Bewältigung des Abgasskandals spricht dafür, dass dem Gläubiger in diesem Zeitraum gerichtliche Schritte zum Hinausschieben der Verjährung nicht zumutbar waren.
RiOLG a.D. Heinz Diehl
zfs 1/2020, S. 15 - 16