“ … II. Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 10.9.2007 zu der Rechtsbeschwerde des Betroffenen Folgendes ausgeführt:
"Die gem. § 79 Abs. 1 Nr. 2 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde ist rechtzeitig eingelegt und form- und fristgerecht begründet worden. Sie hat auch einen zumindest vorläufigen Erfolg."
1. Soweit der Betroffene die fehlerhafte Behandlung seines Beweisantrages beanstandet, hätte er zur ordnungsgemäßen Erhebung der Rüge die den Mangel begründenden Tatsachen so genau bezeichnen und vollständig angeben müssen, dass das Beschwerdegericht schon anhand der Beschwerdebegründung ohne Rückgriff auf die Akten prüfen kann, ob ein Verfahrensverstoß vorliegt, falls die behaupteten Tatsachen zutreffen. Die Rüge ist insoweit aber nicht in der gem. § 79 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 344 Abs. 2 S. 2 StPO gebotenen Form ausgeführt und deshalb unzulässig.
2. Soweit der Verteidiger des Betroffenen die Zulassung der Rechtsbeschwerde beantragt hat, ist dieser Antrag gem. § 300 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG, § 344 Abs. 1, Abs. 2 StPO als Rechtsbeschwerde unter Erhebung der allgemeinen Sachrüge auszulegen.
Die Feststellungen der angefochtenen Entscheidung zu einem qualifizierten Rotlichtverstoß sind lückenhaft und halten der rechtlichen Überprüfung nicht Stand.
Der von dem AG angenommene qualifizierte Rotlichtverstoß erfordert die Feststellung, dass der Fahrzeugführer das Rotlicht nach einer Rotlichtphase von mehr als einer Sekunde missachtet hat, wobei nach gefestigter obergerichtlicher Rspr. der Zeitpunkt des Überfahrens der Haltelinie und, wenn diese nicht vorhanden ist, das Einfahren in den von der Lichtzeichenanlage gesicherten Kreuzungsbereich ausschlaggebend ist (zu vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 39. Aufl., § 37 Rn 61 m.w.N.). Um dem Rechtsbeschwerdegericht die rechtliche Überprüfung des Verstoßes zu ermöglichen, hat das Tatgericht nähere Feststellungen zu den örtlichen Verhältnissen und zum Ablauf des Rotlichtverstoßes zu treffen. Dies gilt insbesondere, wenn die Feststellungen zum Zeitablauf – wie hier – nicht auf einer technischen Messung mittels eines geeichten Messgerätes beruhen. Wegen der damit verbundenen zahlreichen Fehlermöglichkeiten bedarf es klarer und erschöpfender Feststellungen zum Zeitablauf sowie zur Entfernung des Fahrzeugs zum Einmündungsbereich zur Lichtzeichenanlage und zu einer ggfs. vorhandenen Haltelinie (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 29.10.1998, 4 Ss OWi 1254/98).
Diesen Anforderungen wird das Urteil nicht gerecht. Das Gericht hat nicht mitgeteilt, in welchem Abstand sich das Fahrzeug des Betroffenen zu einer Haltelinie bzw. zur Lichtzeichenanlage befunden haben soll, als diese bereits länger als eine Sekunde Rotlicht angezeigt haben soll. Auch fehlen Angaben zu der gefahrenen Geschwindigkeit des Betroffenen.
Die der Verurteilung zugrunde gelegten Feststellungen beruhen allein auf einer Schätzung der Zeugen C und A, die zudem keine gezielte Überwachung der Lichtzeichenanlage vornahmen, sondern dem Betroffenen nur hinterherfuhren.
Eine solche Schätzung kann nur dann ausreichen, wenn eine gezielte Überwachung der Lichtzeichenanlage erfolgt und die Schätzung durch weitere hinzutretende Umstände untermauert wird (vgl. Hentschel, a.a.O., Rn 61b).
Beides ist hier nicht der Fall. Zum einen lag keine gezielte Überwachung der Lichtzeichenanlage vor. Zum anderen hat das Gericht keine Feststellungen zu weiteren Umständen getroffen, die die vorgenommene Schätzung hätten untermauern können, wie beispielsweise den Phasenwechsel einer zugehörigen Fußgänger-Lichtzeichenanlage oder das Anfahren des Querverkehrs.
Die Feststellungen zur Einsehbarkeit der Lichtzeichenanlage durch den Betroffenen, wonach ein Lkw in 50 Meter Entfernung von der Lichtzeichenanlage gestanden haben soll, reichen als Bezugspunkt nicht aus, da ein Zusammenhang zwischen dem Standort des Lkw und der Entfernung des Fahrzeugs des Betroffenen von der Lichtzeichenanlage hieraus nicht hergeleitet werden kann.
Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das AG zurückzuverweisen.“
Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat nach eigener Sachprüfung an und macht sie zur Grundlage seiner Entscheidung. Dabei weist der Senat darauf hin, dass die Feststellung eines qualifizierten Rotlichtverstoßes auf Grund der Angaben von Polizeibeamten oder anderen Zeugen bei einer zufälligen Rotlichtüberwachung nicht von vorneherein ausgeschlossen ist (vgl. Senat, Beschl. v. 29.8.2002, 3 Ss OWi 729/02, NZV 2002, 577). Jedoch muss die im Urteil festgestellte Verkehrssituation in solchen Fällen konkrete Tatsachen aufweisen, auf denen die Schätzung der Dauer der Rotlichtphase zum Zeitpunkt des Überfahrens der Haltelinie beruht und einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich sein. Bloße Schätzungen sind wegen der Ungenauigkeit des menschlichen Zeitgefühls in der Regel mit einem erheblichen Fehlerrisiko behaftet (vgl. Hanseatisches OLG, Beschl. v. 29.12.2004, NZV 2005, 209, 210 m.w.N; OLG Köl...