Gem. § 9 RVG kann der Rechtsanwalt von seinem Auftraggeber einen angemessenen Vorschuss verlangen. Dieser Anspruch umfasst die bereits entstandenen und die voraussichtlich entstehenden Gebühren und Auslagen. Somit erfasst der Vorschussanspruch zunächst sämtliche Gebühren und Auslagen, die voraussichtlich entstehen werden (AG Dieburg AGS 2004, 282; Burhoff, RVG in Straf- und Bußgeldsachen, 2. Aufl., ABC-Teil: Vorschuss vom Auftraggeber [§ 9], Rn 8). Das AG Stuttgart hat hier keine Zweifel gehabt, dass hierzu auch eine Dokumentenpauschale in Höhe von 10 EUR und die Aktenversendungspauschale nach Nr. 9003 GKG Kostenverzeichnis in Höhe von 12 EUR gehört. In seiner Vorschussrechnung hat sich der Verteidiger hier jedoch sehr zurückgehalten. Denn voraussichtlich entsteht in einem Bußgeldverfahren auch eine Terminsgebühr nach Nr. 5110 VV RVG sowie eine zusätzliche Verfahrensgebühr nach Nr. 5115 VV RVG (s. AG Darmstadt RVGreport 2007, 60 = AGS 2006, 212).

Zu Recht ist das AG Stuttgart hier davon ausgegangen, dass der Verteidiger voraussichtlich in einem durchschnittlichen Bußgeldverfahren tätig werden wird, was den Ansatz von Mittelgebühren rechtfertigt (s. BGH NJW 2004, 1043; AG München AGS 2006, 213). Dies gilt auch in einem Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren (AG Chemnitz AGS 2005, 431; AG München a.a.O.; LG Stralsund zfs 2006, 407; LG Kiel zfs 2007, 106 m. Anm. Hansens; a.A. LG Cottbus zfs 2007, 529 m. Anm. Hansens). Zutreffend hat das AG Stuttgart darauf hingewiesen, dass gerade Bußgeldverfahren wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit auf Grund der Vielzahl der straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren die üblichen Bußgeldverfahren sind. Die Höhe der verhängten oder angedrohten Geldbuße ist lediglich für die Auswahl des Gebührentatbestandes (z.B. Nr. 5107, Nr. 5109 oder Nr. 5111 VV RVG) maßgebend, ist aber bei der Bestimmung der Höhe der so gefundenen Gebühr nicht erneut – vermindernd – zu berücksichtigen, s. Burhoff, RVGreport 2007, 252, 253; Hansens, RVGreport 2006, 210). In überdurchschnittlichen Fällen kann auch der Ansatz von über den Mittelgebühren liegenden Gebühren angemessen sein, wenn etwa eine Eintragung im Verkehrszentralregister droht und der Auftraggeber beruflich auf die Fahrerlaubnis angewiesen ist, so der Fall des AG Homburg zfs 2007, 648 m. Anm. Hansens. Zur Bestimmung der Gebühren in straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren s. ausf. Burhoff, RVGreport 2007, 252.

In einem Durchschnittsfall mit einer angedrohten Geldbuße von EUR kann der Verteidiger folgende Vorschussberechnung erstellen:

 
1. Grundgebühr, Nr. 5100 VV RVG 85,00 EUR
2. Verfahrensgebühr (Verwaltungsbehörde), Nr. 5103 VV RVG 135,00 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
4. Verfahrensgebühr (AG), Nr. 5109 VV RVG 135,00 EUR
5. Terminsgebühr, Nr. 5110 VV RVG 215,00 EUR
6. Zusätzliche Verfahrensgebühr, Nr. 5115 VV RVG 135,00 EUR
7. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
8. Dokumentenpauschale, Nr. 7000 Nr. 1 VV RVG 10,00 EUR
  Zwischensumme: 755,00 EUR
9. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 143,45 EUR
10. Aktenversendungspauschale, Nr. 9003 GKG KostVerz. 12,00 EUR
  Summe: 910,45 EUR.

Die Berechnung zweier Postentgeltpauschalen ist deshalb berechtigt, weil es sich bei dem Verfahren vor der Verwaltungsbehörde und dem anschließenden Ordnungswidrigkeitenverfahren vor dem AG gebührenrechtlich um zwei verschiedene Angelegenheiten handelt, so etwa AG Detmold zfs 2007, 405 m. Anm. Schulz-Henze; AG Nauen zfs 2007, 407 m. Anm. Hansens. Ob ein Vorschussanspruch des Rechtsanwalts auch für die Aktenversendungspauschale besteht, hängt häufig davon ab, ob Kostenschuldner der Auftraggeber (so OVG Hamburg RVGreport 2006, 318 (Hansens); VG Düsseldorf NVwZ-RR 2006,744) oder der Rechtsanwalt selbst ist (so BayVGH RVGreport 2007, 399 (Hansens) =AGS 2007, 54; VG Meiningen JurBüro 2006,36).

Heinz Hansens

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