VVG § 5
1. Auch die Annahme einer Hinweispflicht des Versicherers aus § 5 Abs. 2 VVG setzt im Fall eines einheitlichen, mehrere Anträge umfassenden "Antrages" (hier: auf Abschluss einer Kfz-Haftpflicht- und einer Kfz-Kaskoversicherung) ein besonderes Schutzbedürfnis des Versicherungsnehmers voraus.
2. An einem solchen Schutzbedürfnis des Versicherungsnehmers fehlt es, wenn seinem Antrag das vorbereitete Antragsformular der Versicherung zu Grunde lag, das – im Sinne einer invitatio ad offerendum – lediglich eine Haftpflichtversicherung zu bestimmten Konditionen vorsah und darüber hinaus den ausdrücklichen Hinweis enthielt, dass eine Kaskoversicherung nicht angeboten werden könne.
OLG Saarbrücken, Urt. v. 27.5.2009 – 5 U 481/08
Der Kläger unterhält bei der Beklagten für das Fahrzeug C eine Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung. Die Parteien streiten darüber, ob auf Grund des Versicherungsantrags vom 2.4.2007 auch ein Kaskoversicherungsvertrag zu Stande gekommen ist.
Auf Grund mehrfacher telefonischer Anfragen übersandte die Beklagte dem Kläger ein teilweise vorausgefülltes Antragsformular, das in der Rubrik des gewünschten Versicherungsschutzes lediglich die Angabe "Kraftfahrzeug-Haftpflicht" enthielt. Neben dieser Rubrik ist folgender Hinweis abgedruckt: "Die Fahrzeugversicherung (Voll/Teilkasko) können wir Ihnen leider nicht anbieten."
In die Rubrik des gewünschten Versicherungsschutzes trug die Tochter des Klägers handschriftlich den Zusatz "mit Vollkasko" ein und sandte das von dem Kläger unterschriebene Antragsformular an die Beklagte zurück.
Aus den Gründen:
“… Dem Kläger steht gegen die Beklagte weder ein Anspruch auf Erbringung von Versicherungsleistungen aus einem Kaskoversicherungsvertrag (A.) noch auf Schadensersatz wegen schuldhaftem Verhalten bei Vertragsschluss (B.) zu.
A. Zwischen den Parteien ist ein Vollkaskoversicherungsvertrag nicht zu Stande gekommen.
Unstreitig hat der Kläger durch Rücksendung des – handschriftlich durch den Vermerk ‘mit Vollkasko’ ergänzten – Antragsformulars an die Beklagte sowohl einen Antrag auf Abschluss einer Kfz-Haftpflichtversicherung als auch einen solchen auf Abschluss einer Vollkaskoversicherung abgegeben.
Von diesem Antrag wich die in dem Versicherungsschein vom 12.4.2007 liegende Annahmeerklärung der Beklagten … allerdings insoweit ab, als diese sich ersichtlich allein auf die Kfz-Haftpflichtversicherung – als von der Kaskoversicherung zu trennendes eigenständiges Versicherungsverhältnis – bezog. Entgegen der Ansicht des LG kann ein Kaskoversicherungsvertrag trotz der fehlenden Einigung der Parteien nicht nach der für das Versicherungsvertragsrecht geltenden Sonderregelung des § 5 Abs. 3 VVG a.F. – die Vorschrift gilt nach Art. 1 Abs. 1 und 2 EGVVG für den im Jahr 2007 eingetretenen Versicherungsfall fort – als vereinbart angesehen werden. Auch schuldet die Beklagte nicht nach den allgemeinen bürgerlichen-rechtlichen Vorschriften Kaskoversicherungsschutz.
1. § 5 VVG enthält für den Fall der Abweichung des Versicherungsscheins vom Antrag eine versicherungsvertragsrechtliche Sonderregelung gegenüber den allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen, die aus Gründen der Rechtssicherheit und zum Schutz des Versicherungsnehmers dort Festlegungen für den Vertragsinhalt trifft, wo es an einer Einigung der Vertragsparteien fehlt.
a) Entgegen dem allgemeinen Grundsatz, wonach dem Schweigen kein Erklärungswert beizumessen ist, richtet sich der Inhalt des Versicherungsvertrages gem. § 5 Abs. 1 VVG – über eine Genehmigungsfiktion – dann nach dem Versicherungsschein, wenn der Versicherungsnehmer den Abweichungen von seinem Antrag nicht innerhalb einen Monats nach Empfang des Versicherungsscheins schriftlich widerspricht. Damit soll sichergestellt werden, dass der Versicherungsnehmer – gem. dem Inhalt des Versicherungsscheins – tatsächlich Versicherungsschutz genießt; zugleich soll Streit über den wirklichen Inhalt des Versicherungsvertrages vermieden werden (vgl. BK/Schwintowski, 1998, § 5 VVG, Rn 1).
Eine solche Genehmigung setzt im Interesse des Versicherungsnehmers, der vor unerwarteten und nicht ohne weiteres erkennbaren Änderungen seines Antrags geschützt werden soll, allerdings voraus, dass der Versicherer diesen in der in § 5 Abs. 2 VVG vorgesehenen Weise hinreichend deutlich auf die Abweichungen aufmerksam gemacht und über das Erfordernis eines Widerspruchs und die sich anderenfalls ergebende Rechtsfolge – Verbindlichkeit der Abweichungen für den Versicherungsnehmer – belehrt hat.
Wird der Versicherer den Anforderungen an die Belehrungspflicht nach § 5 Abs. 2 VVG nicht gerecht, so ist die Abweichung für den Versicherungsnehmer nach § 5 Abs. 3 VVG unverbindlich und der Inhalt seines Antrags als vereinbart anzusehen. Insoweit weicht § 5 Abs. 3 VVG – als lex specialis (vgl. OLG Hamm VersR 1989, 946; Knops, in: Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl., § 5 VVG, Rn 6) – von der allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Vorschrift des § 150 Abs. 2 BGB ab, nach der eine von dem Antrag abweichende Annahme al...