Nach ständiger Rechtsprechung fällt einem Kfz-Insassen, der den Sicherheitsgurt nicht anlegt, grundsätzlich ein Mitverschulden nach § 254 Abs. 1 BGB an den Unfallverletzungen zur Last, die er infolge der Nichtanlegung des Gurtes erlitten hat. Dies gilt auch, wenn das Fahrzeug verkehrsbedingt vorübergehend angehalten wurde.
Die Frage eines Mitverschuldens an dem Ausmaß der Verletzungen und an den darauf beruhenden Folgeschäden hängt aber stets davon ab, inwieweit der Verstoß gegen die Anschnallpflicht dafür mitursächlich geworden ist. Dies hat grundsätzlich der für den Unfall Verantwortliche nach § 286 ZPO zu beweisen, wobei bei Verstößen gegen die Anschnallpflicht (§ 21a Abs. 1 StVO) die Heranziehung des Beweises des ersten Anscheines bei typischen Gruppen von Unfallverläufen zulässig ist. Die Ursächlichkeit des Nichtanschnallens muss in einer Einzelwürdigung für die verschiedenen Verletzungen eindeutig festgestellt werden, wenn diese Verletzungen bei der anschließenden Bildung einer einheitlichen Quote nach § 287 ZPO berücksichtigt werden sollen.
Ein Beispiel aus neuerer Zeit ist insoweit ein Urteil des OLG Naumburg. In diesem Fall fuhr der Kläger, ohne den Sicherheitsgurt anzulegen, mit seinem Pkw. Ein entgegenkommendes Fahrzeug wechselte zur Durchführung eines Überholvorgangs auf die Gegenfahrbahn und stieß frontal mit dem klägerischen Fahrzeug zusammen. Nach Auffassung des OLG Naumburg besteht zwar ein Anscheinsbeweis für die Ursächlichkeit, wenn bei einem Frontalzusammenstoß mit einer Aufprallgeschwindigkeit von 35 – 40 km/h Verletzungen an Kopf und Brust eingetreten sind. Bei schweren Frontalkollisionen mit hohen Geschwindigkeiten sei die Ursächlichkeit der erlittenen Unfallverletzungen jedoch nicht zu vermuten, wenn der Verletzte den Sicherheitsgurt nicht angelegt habe, sondern in den Airbag geprallt sei. Vielmehr müsse der Schädiger beweisen, dass dieselben Verletzungen (im konkreten Fall: hintere Hüftluxation mit Acetabulumfraktur) bei Anlegen des Sicherheitsgurts nicht eingetreten wären.
In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass mittels eines Anscheinsbeweises nicht nur von einem feststehenden Verhalten auf den Zusammenhang mit dem eingetretenen Erfolg, sondern auch umgekehrt von einem eingetretenen Erfolg auf ein bestimmtes Verhalten als Ursache geschlossen werden kann. Auch für den Beweis, dass ein Fahrzeuginsasse nicht angeschnallt war, kann daher auf den Anscheinsbeweis zurückgegriffen werden. So können schwere Gesichtsverletzungen aus Anlass eines Aufprallunfalls den Anscheinsbeweis dafür begründen, dass der Verletzte den Sicherheitsgurt nicht angelegt hat.